Analyse Kita-Betreuung nicht kindgerecht

Düsseldorf · Nach dem gesetzlichen Anspruch auf einen Krippenplatz haben die Kommunen die Kinderbetreuung massiv ausgebaut. Aber stimmt auch die Qualität? Eine Studie zeigt, dass bundesweit nachgebessert werden muss.

Für die Betreuung von Kleinkindern in Deutschlands Kindertageseinrichtungen werden noch immer zu wenig Erzieherinnen eingesetzt. Das hat eine aktuelle Bertelsmann-Studie ergeben. Zwar habe sich das Betreuungsverhältnis, also um wie viele Kinder sich eine Erzieherin kümmert, in den vergangenen Jahren in fast allen Bundesländern verbessert. Die Erzieherinnen seien jedoch oft durch einen ungünstigen Personalschlüssel und befristete Arbeitsverträge belastet. Vor allem Teilzeitkräfte stünden unter großem Zeitdruck, hieß es gestern bei der Vorstellung des aktuellen "Ländermonitors Frühkindliche Bildungssysteme". Im Ost-West-Vergleich gebe es zudem weiter große Unterschiede.

Die Ergebnisse der Studie wirken auf den ersten Blick gar nicht so schlecht: Im bundesweiten Schnitt kommen demnach auf eine Vollzeitkraft 4,4 ganztagsbetreute Krippenkinder unter drei Jahren (U 3) oder 9,5 Kindergartenkinder, die älter als drei Jahre sind (Ü 3). Der sogenannte Personalschlüssel (auch Betreuungsschlüssel) ist ein wichtiges Merkmal, um die Betreuungsqualität in den Kitas zu bewerten. Der Trend ist damit insgesamt positiv: Zwei Jahre zuvor waren die Durchschnittswerte mit 4,8 (U 3) und 9,8 (Ü 3) nämlich noch schlechter. Da die Experten aber für die kindgerechte Betreuung von unter Dreijährigen eine Vollzeitkraft für drei Kinder und eine für 7,5 Kinder über drei Jahren fordern, wird schnell deutlich: Es muss weiter in die Kitas investiert werden. Denn kein Bundesland erfüllt diese Norm.

In Nordrhein-Westfalen beispielsweise muss sich eine Erzieherin um 3,6 U 3- beziehungsweise 9,5 Kindergartenkinder kümmern. 2012 war die Situation in den NRW-Kitas ähnlich problematisch (3,7 und 9,8). Während NRW vor zwei Jahren bei der Betreuung der unter Dreijährigen zumindest noch über dem westdeutschen Durchschnitt lag, entspricht die Situation mittlerweile exakt dem Mittelwert. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, sagt: "Die Personalschlüssel sind längst nicht überall kindgerecht und pädagogisch sinnvoll, aber der Trend ist positiv."

Die bundesweiten Unterschiede in Bezug auf die Betreuungsqualität sind indes erheblich. Denn während der Anspruch auf einen Kita-Platz per Bundesgesetz geregelt ist, sind die konkreten Rahmenbedingungen Ländersache. Während Baden-Württemberg etwa die Anforderungen für ein kindgerechtes Betreuungsverhältnis beinahe erfüllt (3,1 Krippenkinder und 7,7 Kindergartenkinder je Erzieherin), ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern bedenklich (6 und 14,4). In Personal investiert haben in den vergangenen Jahren Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, deren Betreuungsschlüssel deutlich günstiger ausfallen als noch zwei Jahre zuvor. Einziges Manko: Die Hansestadt bleibt bei der Krippenbetreuung mit einem Betreuungsschlüssel von 5,1 (2012: 5,7) weiter Schlusslicht im Westen.

Besonders die Diskrepanz in Sachen Betreuungsqualität zwischen den alten und den neuen Bundesländern ist auffällig: Im Osten müssen sich die Erzieherinnen der Studie zufolge weiter um deutlich mehr Kleinkinder kümmern (6,1) als im Westen (3,t6). Allerdings besuchen in den neuen Bundesländern mit 46,6 Prozent auch erheblich mehr Kinder unter drei Jahren Kitas als im Westen (22,7 Prozent). "Angesichts der großen Unterschiede zwischen den Bundesländern werden bundeseinheitliche Qualitätsstandards für Kindertagesbetreuung immer drängender", sagt Dräger.

Auch wenn der Trend insgesamt positiv scheint, ist der Weg in deutschen Kitas zu einer tatsächlich kindgerechten Betreuung noch weit: Da Erzieher mindestens ein Viertel ihrer Zeit für Team- und Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung aufwenden müssen, fällt das tatsächliche Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag noch ungünstiger aus, als es die erhobenen Daten ohnehin vermuten lassen. In kaum einem Bundesland ist derzeit klar geregelt, wie viel Arbeitszeit Aufgaben neben der eigentlichen pädagogischen Arbeit mit den Kindergartenkindern vorbehalten ist.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem erstaunlich hohen Anteil von Teilzeitkräften in den Kitas: 41 Prozent der ausgebildeten Fachkräfte unter 25 Jahren haben nur ein befristetes Arbeitsverhältnis. Lediglich die Kita- und Gruppenleitungen werden als Stammpersonal fast durchgängig unbefristet beschäftigt. Und während Vollzeitkräfte in der Regel ausreichend Zeit für Verwaltungsaufgaben einplanen können, geraten Teilzeitkräfte häufig unter Druck.

Nordrhein-Westfalen bietet jungen Erzieherinnen besonders unattraktive Arbeitsverhältnisse. Wenn auch insgesamt rund 55 Prozent der Kita-Fachkräfte in NRW Vollzeit arbeiten, hat mehr als die Hälfte (58 Prozent) der ausgebildeten Erzieherinnen unter 25 Jahren nur einen befristeten Vertrag; in keinem anderen Bundesland ist die Befristungsquote für diese Altersgruppe ähnlich hoch, heißt es in der Studie. NRW-Familienministerin Ute Schäfer sagt: "Die Gestaltung der Arbeitsverträge ist vorrangig Angelegenheit der Träger. Aber wir setzen uns für sichere Beschäftigungsbedingungen ein und wollen die Träger hierbei besser unterstützen."

Wie das für die Kitas in NRW zuständige Familienministerium mitteilt, soll weiter in die Betreuungsqualität investiert werden. Insgesamt stellt das Land im laufenden Kindergartenjahr über 260 Millionen Euro für zusätzliches Personal zur Verfügung. Das Gesamtbudget des Landes für frühkindliche Bildung hat sich nach Angaben des Ministeriums seit 2010 von einer auf rund zwei Milliarden Euro nahezu verdoppelt.

(RP)
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