Kampf gegen Kindesmissbrauch Die Union beharrt auf Speicherung von IP-Adressen
Berlin · Die Vorratsdatenspeicherung wurde von Gerichten ausgebremst. Daher hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Herbst einen Alternativvorschlag präsentiert, das Quick-Freeze-Verfahren. Die Union beharrt jedoch auf die Speicherung von IP-Adressen, vor allem im Kampf gegen Kindesmissbrauch.
Als der Bundestag 2007 unter dem Eindruck islamistischer Terroranschläge mit den Stimmen der großen Koalition die Vorratsdatenspeicherung einführte, war der Jubel unter Ermittlern groß. Doch die damaligen Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linke sowie Bürgerrechtsorganisationen protestierten heftig. Und mit Erfolg: Das Bundesverfassungsgericht kippte die anlasslose, flächendeckende Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten. Im Jahr 2015 wagte die Groko dann einen neuen Anlauf — vergebens. Jüngst entschied der Europäische Gerichtshof erneut: Ohne Anlass dürfen die Kommunikationsdaten von Bürgern nur unter strengen Voraussetzungen gespeichert werden. So wird die Vorratsdatenspeicherung de facto schon seit zwölf Jahren nicht mehr angewendet.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) legte daher im Herbst 2022 eine Alternative für den Kampf gegen schwere Straftaten vor: das sogenannte „Quick Freeze“-Verfahren. Beim Verdacht auf eine erhebliche Straftat können damit relevante Telekommunikationsdaten bereits in einem frühen Ermittlungsstadium bei den Anbietern gesichert, also eingefroren werden. Möglich soll das „Einfrieren“ bei Totschlag, Mord, Raub oder Erpressung sein, bei bestimmten Formen der Geldwäsche oder Kindesmissbrauch. Ein Richter muss der Maßnahme zustimmen.
Den Weg in den Bundestag hat der Vorschlag allerdings noch nicht gefunden. Der Referentenentwurf befinde sich derzeit in der ressortinternen Abstimmung, so heißt es aus dem Justizministerium auf Anfrage unserer Redaktion.
Der Union dauert das zu lange. Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, macht Druck: Die Koalition möge einen Gesetzentwurf für die Speicherung von IP-Adressen vorlegen, das Quick-Freeze-Verfahren sei eine Schein-Lösung. In einer Bundestagsdebatte nannte er es gar „skandalös“, dass viele Fälle schwersten Missbrauchs nicht weiterverfolgt werden könnten. „Ein Einfrieren von IP-Adress-Daten hilft unseren Ermittlern so gut wie nicht weiter. Daten, die nicht mehr vorhanden sind, können nicht mehr eingefroren werden. Abscheuliche Bild- und Videodateien missbrauchter Kinder könnten so weiter ungestraft verbreitet werden“, sagt Krings.
Auch die Ampel ist sich bei dem Thema uneinig. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) pocht ebenfalls auf die Speicherung von IP-Adressen. „Die Ermittler benötigen eine Speicherung von IP-Adressen“, sagt Krings, der darauf verweist, dass der Europäische Gerichtshof durchaus Spielraum für die Speicherung von IP-Adressen insbesondere zur Verfolgung schwerer Straftaten sehe. Diesen müsse man ausnutzen. „Andernfalls lassen sich viele schwere Straftaten — wie insbesondere der Kindesmissbrauch — nicht aufklären. Die Behauptung, hierin läge eine umfassende Überwachung, ist ebenso polemisch wie sachlich falsch, denn IP-Adressen sind lediglich Bestandsdaten, die eine einmalige Personenzuordnung ermöglichen“, so der CDU-Politiker.