Bündnis für Zukunftssicherung Keine Streiks bei der Bahn

Frankfurt/Main (AP). Ein milliardenschwerer Sozialfonds soll die Deutsche Bahn AG rasch wettbewerbsfähig machen. Vorstand und Gewerkschaften vereinbarten bei einem Spitzengespräch am späten Mittwochabend in Frankfurt am Main zudem, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2004 zu verlängern. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, sagte, der Fonds verhindere Einkommenskürzungen und entlaste zugleich die Bahn um Personalkosten von fast 800 Millionen Mark jährlich.

Einzelheiten sollen in den nächsten Wochen ausgehandelt werden. Bahnchef Hartmut Mehdorn sprach nach den fünfstündigen Verhandlungen von einem Durchbruch. "Durch diesen Fonds kann die Bahn als Wirtschaftsunternehmen ab 2001 sofort marktwirtschaftlicher handeln und ist nicht auf einen langwierigen Prozess bis 2004 angewiesen."

In den Fonds sollen "Altlasten" des Unternehmens aus Zeiten der Bundesbahn abgewälzt werden: Noch rund 90.000 Beschäftigte erhalten nach Transnet-Angaben derzeit so genannte Besitzstand wahrende Zulagen von 100 bis 1.000 Mark monatlich. Eine ähnliche Regelung wie die jetzt angestrebte gibt es bereits für die 80.000 Bahn-Beamten. Für deren Zulagen kommt das Bundeseisenbahnvermögen auf.

Unklar war zunächst noch, wie der Fonds gespeist werden soll: Vorgesehen sind Strukturmittel der Bahn in Höhe von mehreren Milliarden Mark. Auch wolle die DB AG künftig Fördermittel von der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen wie jedes andere Unternehmen auch, sagte Mehdorn. Zudem soll mit dem Bund über Ausgleichszahlungen für unkündbare Mitarbeiter verhandelt werden. Darauf gibt es nach Gewerkschaftsangaben seit 1993 einen gesetzlichen Anspruch, der bislang aber nicht wahr genommen wurde. Die Summe belaufe sich auf einige Milliarden Mark, sagte Transnet-Sprecher Hubert Kummer am Donnerstag.

Mehdorn zeigte sich zuversichtlich über die Rolle des Eigentümers: Die Bahn habe einen Großteil ihrer Hausaufgaben nunmehr erledigt. Wenn das Unternehmen gute Arbeit mache, werde die Bundesregierung nachziehen. Zudem forderten die Tarifparteien von Berlin erneut die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen. Einbezogen werden in die Ausgestaltung des Fonds soll auch die anstehende Tarifrunde, für die Transnet-Chef Hansen bereits einen moderaten Abschluss in Aussicht stellte.

Gewerkschaftschef sieht wieder "Vertrauensgrundlage"

Die Bahn-Mitarbeiter sollen nach dem Erreichen der Kapitalmarktfähigkeit über so genannte Besserungsscheine am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt werden und bei einem Börsengang Aktien erhalten. In der Tarifpolitik sollen moderne Wege beschritten werden, etwa durch die Einrichtung von Lebensarbeitsezeitkonten.

Der Durchbruch wurde nach Bahnangaben bei einem vertraulichen Gespräch zwischen Mehdorn und Hansen erzielt. Der Gewerkschaftsvorsitzende erklärte anschließend: "Jetzt gibt es wieder eine Vertrauensgrundlage." Der Vorsitzende der Verkehrsgewerkschaft GDBA, Robert Dera, betonte, dass Thema Streik sei endgültig vom Tisch.

Mehdorn will die Bahn bis 2004 kapitalmarktfähig machen. Ende März hatten sich die Tarifparteien auf das gemeinsame Ziel verständigt, das Ergebnis des Unternehmens bis dahin um 8,4 Milliarden Mark zu verbessern.

(RPO Archiv)
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