Mit Stiefeln im Gotteshaus Kaplan-Anhänger nach Razzia wütend: "Schily muss büßen"

Köln (rpo). Das tägliche Morgengebet gen Mekka hatte gerade erst begonnen, da stürmten hunderte von Polizisten in die Moschee: Rund 30 Anhänger des selbst ernannten "Kalifen von Köln" waren von der Razzia um 6.15 Uhr an einem der letzten Tage im Fastenmonat Ramadan völlig überrumpelt worden.

"Mit Stiefeln haben die Polizisten unser Gotteshaus betreten. Das finde ich schlimm", sagte einer der Islamisten, der die Polizeiaktion im Stadtteil Nippes vom Gehweg gegenüber beobachtet. Schmährufe begleiten von dort die Durchsuchung des Hauptquartiers des Islamisten-Verbandes, der am Mittwoch von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verboten worden war.

Mit dutzenden Einsatzwagen und einem großen Möbeltransporter waren die Beamten im Morgengrauen angerückt, um Büromöbel, Computer und Unterlagen zu beschlagnahmen und die Vereinigung damit "arbeitsunfähig" zu machen, wie ein Polizeisprecher sagt. "Schily soll dafür büßen", droht daraufhin der selbst ernannte Sprecher der Vereinigung, der sich Mullah Omar nennt, genau wie der afghanische Taliban-Chef. Angst vor dem endgültigen Aus haben die Kaplan-Anhänger scheinbar nicht: "Allah hört und sieht jedes Wort und wird uns bis zum Weltuntergang unterstützen", diktiert der hagere, bärtige Wortführer den männlichen Journalisten - die weiblichen ignoriert er völlig.

Das karge, aber weitläufige Gelände des Kaplan-Verbandes im Kölner Norden sollte den Islamisten als Ausgangspunkt für die "Befreiung Istanbuls" dienen. Von hier wollten sie nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes einen islamischen Gottesstaat in der Türkei und später eine islamische Weltherrschaft errichten. Schon seit Jahren leidet die Vereinigung allerdings an einem Mitgliederschwund: Wurden 1990 bundesweit noch 5000 Kaplan-Gefolgsleute gezählt, sind es derzeit nach Angaben es nordrhein-westfälischen Innenministeriums nur noch rund 1000, von denen gut die Hälfte in NRW lebt.

Den Umfang des verdächtigen Materials hatte die Polizei offenbar unterschätzt. So viele potenzielle Beweismittel stellten die Beamten in den barackenähnlichen, verwinkelten Gebäuden sicher, dass sie im Laufe des Vormittags mehrere Sattelschlepper anfordern mussten. Während die Uniformierten den rund 200 Quadratmeter großen Gebetsraum der Großen Moschee demontierten - Bilder abhängten und Regale abschraubten - köchelte noch der Tee auf einem Samowar. Vorbereitet waren die Kaplan-Anhänger auf die Razzia augenscheinlich nicht. "Es gab praktisch keinen Widerstand", sagte ein Polizeisprecher.

Der "Kalif" Metin Kaplan hatte die Verbotsverfügung am frühen Morgen in seiner Zelle im Düsseldorfer Gefängnis in die Hände bekommen, sein Anwalt ist nach Angaben aus seiner Kanzlei vorläufig nicht zu sprechen. Möglicherweise muss Kaplan schon in Kürze in die Türkei zurückkehren: Schily will ihn so bald wie möglich abschieben. Es müsse aber gesichert sein, "dass die Türkei die Todesstrafe zumindest nicht vollstreckt." Dazu werde es Gespräche mit der Regierung in Ankara geben, sagte der Minister.

Eine Anwohnerin, die die Polizeiaktion aus der Ferne beäugt, schimpft: "Die Behörden sind viel zu spät eingeschritten, die hatten Schiss, dass die Islamisten sich rächen." Ob das Verbot des "Kalifatsstaates" allein bereits das Ende der verfassungswidrigen Umtriebe der radikalen Islamisten bedeutet, ist indes noch unklar. Schon seit der Verurteilung ihres Anführers im November 2000 waren die Kaplan-Treuen "enger zusammengerückt", wie der Verfassungsschutz ermittelt hat. Zumindest die grüne Fahne - Symbol des Islams - baumelte bis zum Schluss der Polizeirazzia unberührt an ihrem Mast vor der Kölner Moschee.

(RPO Archiv)
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