Edmonton Kanadische Nationalhymne soll weiblich werden

Edmonton · Eine Gruppe prominenter Frauen will, dass nicht mehr nur die Vaterlandsliebe der Söhne des Landes gepriesen wird.

Margaret Atwood ist eine der weltweit bekanntesten Kanadierinnen. Die Schriftstellerin aus Toronto hat Millionen Romane, Kurzgeschichten und Gedichtbände verkauft, ihre Werke sind in über 30 Sprachen übersetzt. Dazu kommen zahllose Literaturpreise, auch in Deutschland. Es hat also Gewicht, wenn sich Atwood zum Thema Sprache zu Wort meldet. Das hat Atwood jetzt getan. Zusammen mit weiteren prominenten Frauen will sie den wohl am meisten zitierten und gesungenen Text Kanadas ändern: die Nationalhymne "O Canada".

Genauer gesagt, die englische Version in dem offiziell zweisprachigen Land. In der nämlich ist gleich in der ersten Strophe von den Söhnen Kanadas die Rede – die Töchter allerdings werden ausgespart. Frauen wie Atwood finden das unzeitgemäß. Der derzeitige Text der Hymne spreche nur kanadische Männer an, erklärte die Autorin, die sich seit Jahren für die Rechte von Frauen einsetzt. Eine Änderung sei überfällig und außerdem leicht zu bewerkstelligen.

Unterstützung bekam sie von der bislang einzigen weibliche Premierministerin Kanadas, Kim Campbell, die das Land 1993 für kurze Zeit regiert hatte. Konkret geht es Atwood und ihren Mitstreiterinnen um die dritte Zeile der Hymne. Darin heißt es: "True patriot love in all thy sons command" ("Erwecke wahre Vaterlandsliebe in all deinen Söhnen"). Atwood will dass es zukünftig geschlechtsneutral heißt: "in all of us command" ("Erwecke wahre Vaterlandsliebe in uns allen").

Das fordert auch Sally Goddard, die Mutter der ersten kanadischen Soldatin, die im Kampfeinsatz ihr Leben lassen musste: "Eine Änderung würde alle Kanadier ehren – unabhängig von ihrem Geschlecht." Es wäre eine Rückkehr zur ursprünglichen Fassung. Als die Hymne 1908 geschrieben wurde, gab es keinen Hinweis auf ein Geschlecht. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der Text im patriotischen Überschwang umformuliert, womöglich um die (männlichen) Soldaten auf den Schlachtfeldern zu motivieren.

Genau 100 Jahre ist das jetzt her und die Initiatorinnen finden, die Zeiten eines rein maskulin geprägten Patriotismus müssten vorbei sein. Selbst die in gesellschaftlichen Fragen oft nicht unbedingt zu den Vorreitern gehörenden Amerikaner wundern sich über die sprachlichen Eigenheiten in der Hymne ihrer Nachbarn. "Einerseits versuchen die Schulen in Kanada den alltäglichen Sexismus aus dem Lehrplan zu streichen. Andererseits singen kanadische Schüler jeden Morgen eine Hymne, die die halbe Bevölkerung ausschließt", schrieb die "New York Times". Das zu ändern, ist gar nicht so einfach. Vor zehn Jahren ist schon einmal ein Vorstoß im Unterhaus gescheitert. 2010 versprach die damalige Generalgouverneurin Kanadas sogar in ihrer Thronrede, sich des Themas anzunehmen. Doch das Projekt scheiterte am Widerstand von Traditionalisten. Auch diesmal müssen Atwood und ihre Mitstreiterinnen noch Überzeugungsarbeit leisten.

Die konservative Regierung will das Thema nicht anfassen. Glaubt man Umfragen, lehnt auch eine Mehrheit in der kanadischen Bevölkerung eine Änderung ab. Selbst einige von Atwoods Geschlechtsgenossinnen äußern sind skeptisch. Eine Kanadierin schieb im Internet: "Haben wir wirklich nichts Besseres zu tun?"

(RP)
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