Juso-Chef Kevin Kühnert Das Dilemma des SPD-Chefkritikers

Düsseldorf · Nach dem Bundeskongress der Jusos ist Kevin Kühnert wegen der desolaten Lage der Partei unter Druck.

 Kühnert in Düsseldorf

Kühnert in Düsseldorf

Foto: dpa/Marius Becker

Vor einem Jahr wurde Kevin Kühnert mit Turboantrieb prominent. Er war die Speerspitze der Bewegung gegen die große Koalition, wenige Wochen zuvor hatte er das Amt des Juso-Chefs übernommen. Doch jetzt sieht sich Kühnert angesichts des dramatischen Abschneidens der SPD von nur noch 14 Prozent in den Umfragen selbst zunehmender Kritik ausgesetzt.

Parteichefin Andrea Nahles hatte den 29-Jährigen am Wochenende beim Juso-Bundeskongress in Düsseldorf direkt angegangen. Die Jusos dürften nicht ständig nur Kritik an sämtlichen SPD-Erfolgen in der großen Koalition üben oder danach rufen, das Bündnis schnellstmöglich zu verlassen. Das vermittle den Eindruck, die Partei sei mit sich selbst nicht im Reinen, so könne sie niemanden überzeugen.

Kühnert wies die Anschuldigungen geschickt zurück und hielt Nahles vor, erst wieder die Sinnfrage zur Koalition gestellt zu haben, als sie im Kanzleramt die skandalöse Entscheidung zur Beförderung des umstrittenen Bundesverfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen mitgetragen hatte.

Doch die Einschläge kommen näher, Kühnert steckt in einem Dilemma. Er ist in der schwierigen Lage, die Kritiker der Koalition einbinden und zufriedenstellen zu müssen. Er ist ihr Zugpferd, ihr Wortführer. Gleichzeitig darf er den Bogen nicht überspannen und der Partei zusätzlich schaden. Denn nicht nur Nahles, auch Bundestagsabgeordnete und andere Mandatsträger werfen Kühnert hinter vorgehaltener Hand negative Stimmungsmache vor. Ihre Befürchtung: Weil er immer wieder öffentlich auf die Fehler der Parteispitze hinweist, schadet er dem Ansehen der Partei. Nahles traf also einen Nerv mit ihrem Vorwurf. „Liebe Leute, so geht das nicht“, rief sie den 300 Delegierten der Jusos in Düsseldorf-Bilk entgegen. Kühnert wollte sich den Schuh nicht anziehen und lobte Beschlüsse der Koalition. Jedoch äußerte er Zweifel, dass etwa das Gute-Kita-Gesetz als Antwort auf „große Fragen in der Gesellschaft“ genügen würde. Darum geht es ihm, um einen großen Wurf der Partei, einen Befreiungsschlag aus dem Desaster. Gut aber stur weiterzuregieren, genügt ihm nicht.

Zugleich sieht sich Kühnert dem Druck ausgesetzt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Manche Genossen wünschen sich ihn als Parteichef. Das will Kühnert nicht, es schadet ihm eher. Das Amt eines SPD-Landesvorsitzenden, etwa in seiner Heimat Berlin, könnte aber in greifbare Nähe rücken.

(jd)
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