Paris Junge Migranten loben die Attentäter

Paris · In Frankreichs Problembezirken verweigerten junge Muslime die Schweigeminute.

Frankreich schaut nach den Anschlägen der vergangenen Woche auf seine Schulen. Besonders auf jene, in denen die Schüler das Gedenken an die Opfer verweigerten und stattdessen die Attentäter lobten. "Ich will nicht, dass es Jugendliche gibt, die nach dem, was passiert ist, das Siegeszeichen machen", kritisiert Regierungschef Manuel Valls das Verhalten. Rund 200 solcher Zwischenfälle wurden landesweit gemeldet, doch nicht jeder Protest wurde erfasst.

So zum Beispiel die Szene, die der Pariser Lehrer François in der Zeitung "Le Parisien" schildert: Er überraschte am Freitag während der Geiselnahme im jüdischen Supermarkt die Kinder dabei, wie sie sich im Internet über den Waffenkauf informierten, und konnte nur noch den Strom im Computerraum abstellen. Es war seine Art, eine Diskussion zu vermeiden. "Dabei habe ich schreckliche Dinge gehört."

In den Problemvorstädten rund um Paris sind die Reaktionen auf die Ereignisse der vergangenen Woche besonders heftig. "Wir sind nicht Charlie. Wir sind die Brüder Kouachi", hätten Schüler gerufen, berichtet ein anderer Lehrer, der in einer der neuen "Zonen mit besonderem Bildungsbedarf" am Stadtrand unterrichtet. "Es gibt Provokation und Falschinformation, aber ein Teil der Reden wird schon seit Langem geschwungen." So hätten Schüler schon vor knapp drei Jahren den Attentäter Mohamed Merah, der im Raum Toulouse drei Soldaten, drei jüdische Kinder und einen Lehrer erschoss, zu ihrem Helden erklärt.

"Wie konnten wir unsere Schüler zu Mördern werden lassen?", fragen sich vier Lehrer der Pariser Vorstadt Aubervilliers in der Zeitung "Le Monde". Denn die Attentäter waren in Frankreich geboren und hatten dort die Schule besucht. Auch die Angreifer auf "Charlie Hebdo" und den jüdischen Supermarkt hatten das Fach "Bürgererziehung", das in Frankreich seit 30 Jahren an allen Schulen unterrichtet wird.

Doch die "Education Civique" soll nun auf den Prüfstand kommen. Denn zu oft klafft eine Lücke zwischen der Theorie in den Klassenzimmern und der Realität. Weniger als die Hälfte der Schüler nutze die Möglichkeit zur Mitsprache, bemerkt die nationale Behörde zur Auswertung des Schulsystems. "Die bürgerlichen Werte der Republik scheinen also außer Reichweite und abgehoben."

Das berichten auch die Lehrer, die einen hohen Anteil an Einwandererkindern in ihren Klassen haben. "Es ist schwer, sie an eine erträumte Republik von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit glauben zu lassen, wenn sie in der Metro mehr als andere kontrolliert werden und Schwierigkeiten haben, einen Praktikumsplatz zu finden", sagt der Lehrer Laurent.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort