Interview: Julia Klöckner "Vollverschleierung sollte bei uns verboten werden"

Auf dem CDU-Landesparteitag in Mainz wurde die 41-Jährige mit 98,9 der Stimmen wiedergewählt. Sie plädiert für eine offene Gesellschaft.

Der Solidaritätszuschlag läuft 2019 aus. Sie hätten doch die historische Chance, den "Soli" abzuschaffen. Warum geben auch Ihre Partei und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Soli nicht wie einst versprochen den Bürgern zurück?

Klöckner Das Aufbauwerk Ost ist vielleicht 2019 abgeschlossen, aber nicht das Aufbauwerk Deutschland. Will man eine erneute Schuldenaufnahme vermeiden und auf neue Kredite verzichten, kann man ehrlicherweise nicht auf 18 Milliarden Euro aus dem ,Soli' auf einen Schlag verzichten, auch mit Blick auf die kommenden Generationen.

Was will man mit den "Soli"-Milliarden nach 2019 denn machen?

Klöckner Entscheidend für die Akzeptanz ist, dass die Bürger etwas zurückbekommen. Gut angelegt wäre das Geld in einem Infrastrukturfonds, der dort hilft, wo Not am Mann ist. Unterstützung soll keine Frage mehr nur einer Himmelsrichtung sein, alle Regionen sind wichtig. Weitere Vorgabe: Die Mittel dürfen nicht irgendwo versickern, um Unsinn zu finanzieren.

Ihr thüringischer Parteifreund Mike Mohring könnte sich am Freitag mit Hilfe von Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Würden Sie eine solche Möglichkeit auch wahrnehmen in Rheinland-Pfalz?

Klöckner Ich habe nicht vor, mit der AfD eine Koalition zu bilden.

Aber Sorgen-Themen der AfD und auch vieler Bürger, etwa die Frage der Toleranz gegenüber Formen der Intoleranz, brennen doch auch Ihnen in der CDU auf den Nägeln, oder?

Klöckner Stimmt. Wenn beispielsweise Schwimmbäder tageweise geschlossen und die Fenster mit Tüchern verhängt werden, weil dort muslimische Frauen oder Männer baden, hat das für mich nichts mit Integration und bereichernder Vielfalt zu tun. Und wenn im rot-grün regierten Rheinland-Pfalz ein Ministerium muslimischen Mädchen einen Schwimm-Burkini empfiehlt, sage ich: Da wäre doch die grüne Claudia Roth die erste, die eine Lichterkette des Protestes anführen würde, wenn sich so etwas die katholische Kirche einfallen ließe.

Soll Burka-Tragen in der Öffentlichkeit verboten werden?

Klöckner Die Burka-Vollverschleierung steht für mich nicht für religiöse Vielfalt, sondern für ein abwertendes Frauenbild, Frauen müssen verhüllt werden, weil sie Grund zum Anstoß geben. Aber nicht die Frau, sondern der männliche Betrachter, der dem Anblick nicht standhält, ist dabei doch das Problem. Unser Grundgesetz besteht darauf, dass Frauen und Männer gleich viel wert sind. Außerdem gehört es zu einer offenen Gesellschaft, jemandem offen auch ins Gesicht schauen zu können. Ich bin dafür, dass Vollverschleierung verboten wird. Für die Frauenquote kämpfen, aber Burka tragen gut finden - das passt doch nicht zusammen.

M. KESSLER, R. MICHELS, H. THOREN UND S. WEIGEL FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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