Jubel übertönt Proteste gegen Papst

Benedikt XVI. begegnet der teils scharfen Kritik an seinem Besuch in Großbritannien mit versöhnlichen Tönen. Das historische Treffen mit der Queen, die Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche ist, verläuft betont herzlich. Am Abend feiern 65 000 Gläubige eine Messe mit dem Papst.

EDINBURGH Als die päpstliche Autokolonne auf die Princess Street einbiegt, schlägt Benedikt XVI. in seinem Papamobil Jubel von fähnchenschwingenden Menschen entgegen. Die Protestrufe, sie sind da, sie sind heftig, aber sie sind nicht zahlreich und gehen im Jubel unter. So begann gestern in Edinburgh der erste Staatsbesuch eines Papstes im Vereinigten Königreich seit der Reformation. Premier David Cameron nannte ihn ein "historisches" Ereignis, viele Briten jedoch sahen die Visite sehr kritisch. Dabei hatten gleich zwei Premierminister – Tony Blair und Gordon Brown – für den "überfälligen" Staatsbesuch so hartnäckig geworben, dass Benedikt am Ende die Einladung der Queen kaum ablehnen konnte.

Zudem wollte sich der Papst einen Traum erfüllen: Am Sonntag wird er in Birmingham den zum Katholizismus konvertierten anglikanischen Kardinal John Newman selig sprechen, den er bewundert. Newmans Worte "Heart speaks unto Heart" (Herz spricht zum Herzen) sind das offizielle Motto dieser viertägigen und etwa 14 Millionen Euro teuren Reise, die kirchliche und weltliche Brücken zwischen dem Vatikan und dem Inselkönigreich schlagen soll. Ob das gelingt, ist fraglich. Laut Umfragen heißen nur 14 Prozent der Bevölkerung den Papst willkommen.

Die katholische Kirche steht im Königreich unter anderem wegen zahlreicher Fälle von sexuellem Missbrauch Jugendlicher durch Geistliche in der Kritik. Auf dem Flug von Rom nach Schottland räumte Benedikt XVI. Versäumnisse der Kirche bei den Missbrauchsfällen ein. Es stimme ihn traurig, dass die Verantwortlichen nicht aufmerksam genug gewesen seien und nicht schnell und entschlossen genug gehandelt hätten, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Vielen Briten ging diese Selbstkritik jedoch nicht weit genug.

Und so hingen dunkle Wolken über diesem historischen Besuch, obwohl gestern die Sonne strahlte, als die Alitalia-Maschine aus Rom auf dem Flughafen Edinburgh landete. Als der Papst an der Seite von Prinz Philip zu seinem Wagen schritt, flatterte sein weißes Gewand im Wind. "Er hat nicht den Boden geküsst wie Johannes Paul II.", bemerkte ein BBC-Moderator. Die Briten vergleichen den als vergeistigt geltenden deutschen Papst ständig mit dem charismatischen "Kirchenstar", der ihnen 1982 einen inoffiziellen Besuch abgestattet hatte.

Immerhin schien sich die Queen aufrichtig über ihren Gast zu freuen. "Ich wünsche Ihnen einen fruchtbaren und denkwürdigen Besuch", sagte die Monarchin in ihrer schottischen Residenz Holyrood. Es sei gut, dass der Papst "gegenseitiges Verständnis und den Respekt" predigen wolle, sagte Elisabeth II. "Ich will jedem die Hand der Freundschaft reichen", versicherte das Kirchenoberhaupt. Am Abend zog der Papst dann unter Dudelsack-Klängen in den Bellahouston Park, wo er mit 65 000 begeisterten Gläubigen eine Messe feierte. Nur die Souvenirhändler, von denen viele auf ihren Benedikt-Porzellantellern für 24 Euro sitzen blieben, schauten griesgrämig.

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