Persönlich John Cryan . . . bringt Deutsche Bank nicht voran

Vor einem Jahr ist John Cryan als Hoffnungsträger gestartet: Am 1. Juli 2015 löste er den umstrittenen Anshu Jain an der Spitze der Deutschen Bank ab und hielt seinem Institut gleich schonungslos den Spiegel vor: Die Kosten seien inakzetabel, die IT lausig, die Boni unangemessen, sagte er. Ehrlichkeit ist eine gute Basis für nötige Reformen. Doch mit denen kommt die Bank kaum voran. Das Zeugnis der Anleger fällt entsprechend miserabel aus: Die Aktie hat seit Cryans Amtsantritt über 50 Prozent ihres Wertes verloren und erreichte gestern (wenn auch getrieben durch den Brexit-Entscheid) mit 12 Euro ein Allzeit-Tief.

Cryan, vor 55 Jahren im nordenglischen

Harrogate geboren, hatte seine Landsleute vor dem Ausstieg aus der EU gewarnt. Doch diese hatten auf ihn ebenso wenig gehört wie die Belegschaft der Bank, die er zum Aufbruch aufrief.

Menschlich kann Cryan durchaus punkten: Er gilt als Mann mit feinem britischen Humor, spricht - anders als der abgehobene Jain - fließend Deutsch, was beim größten deutschen Geldhaus gern gesehen wird. Er zieht Tacheles dem glatten Manager-Sprech vor und hat beim Schweizer Konkurrenten UBS zuvor gezeigt, dass er das Bank-Geschäft beherrscht.

Cryan hat seinen Abschluss an der britischen Elite-Universität Cambridge gemacht - und kennt doch die Vielfalt des Lebens: Sein Vater war Jazzmusiker in London.

John Cryan selbst spielt ausgezeichnet Klavier. Doch die Klaviatur eines großen Vorstandsvorsitzenden beherrscht der Brite bislang nicht: Außer Kostensenkungen, Filialschließungen und Personalabbau ist ihm noch nicht viel eingefallen. Die Deutsche Bank wird weiter gelähmt von Tausenden Rechtsstreitigkeiten, die ihm seine Vorgänger hinterlassen haben. John Cryan hat bis heute keine Vision für die Bank geliefert. "Leistung aus Leidenschaft" sieht anders aus. Aber auch diesen Werbeslogan will Cryan ja nun abschaffen.

(RP)
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