Istanbul Türken empört: "Gauck, gacker nicht rum"

Istanbul · Der letzte Tag des Türkei-Besuches von Bundespräsident Joachim Gauck fand gestern in Istanbul zwar bei schönem Wetter statt - doch die politische Atmosphäre war höchst aufgeladen. Gaucks "Zwischenruf" zum Zustand von Rechtsstaat und Demokratie in der Türkei hatte Folgen, die noch lange nachwirken werden. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, ohnehin als Freund deutlicher Worte bekannt, dürfte bei Besuchen in Deutschland künftig noch mehr als bisher als Verteidiger türkischer Interessen auftreten.

Joachim Gauck soll nicht so rumgackern
Foto: ap

Bei einer Pressekonferenz und einer Rede in Ankara hatte Gauck am Montag die Internet-Sperren, den Druck auf die Medien und die Eingriffe in die Gewaltenteilung durch Erdogans Regierung beklagt. "Erdbeben in Ankara", titelte die unabhängige Tageszeitung "Taraf". Das regierungsnahe Blatt "Star" riet Gauck, sich doch gleich als Kandidat der Opposition bei der türkischen Präsidentenwahl im August aufstellen zu lassen. "Gauck, gacker nicht rum", hieß es auf der Titelseite der Erdogan-treuen Zeitung "Takvim".

Der Premier selbst war nicht wesentlich zurückhaltender. Er wies Gaucks Warnungen in einer vom Fernehen übertragenen Rede in schroffen Tönen zurück. Der frühere protestantische Kirchenmann Gauck glaube wohl, er sei immer noch Pastor, sagte Erdogan. "Er war ja mal Pastor. Er sieht die Dinge aus dieser Perspektive. Das geht nicht, das sind hässliche Sachen."

Überhaupt die Deutschen: In der Bundesrepublik bringe der rechtsextreme NSU acht Türken um, außerdem gingen türkische Wohnhäuser in Flammen auf, ohne dass jemand dafür zur Verantwortung gezogen würde. "Dann kommt er her und gibt uns kluge Ratschläge."

Der frühere SPD-Europaabgeordnete Ozan Ceyhun sagte, Erdogans Ansehen unter den Türken in Europa werde jetzt noch weiter wachsen. Der Premier will am 24. Mai in Köln vor Landsleuten eine Wahlkampfrede halten. Ceyhun sagte, jetzt würden in Köln noch wesentlich mehr Türken zusammenströmen.

Gauck hat Erdogans Vorwürfe zurückgewiesen. "Ich habe mir erlaubt, das zu tun, was ich immer tue. Nämlich die kritischen Themen, die in einer Gesellschaft diskutiert werden, aufzunehmen. Das ist normal unter Freunden", sagte Gauck. "Ich habe nichts erfunden, ich bin eher noch zurückhaltend gewesen."

(RP)
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