Analyse zur Kommunalwahl Jetzt ist auch Schwarz-Grün denkbar

Düsseldorf · Nach der Wahl werden die politischen Karten neu gemischt. Große Koalitionen sind denkbar, aber auch neue Konstellationen. Stichwahlen zum Bürgermeisteramt könnten zur Nagelprobe werden.

Der CDU-Landesvorsitzende in NRW, Armin Laschet (l.), spricht am Wahlabend bei einer Fernsehrunde mit der Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Monika Düker.

Der CDU-Landesvorsitzende in NRW, Armin Laschet (l.), spricht am Wahlabend bei einer Fernsehrunde mit der Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Monika Düker.

Foto: dpa, mbk fdt

Mit der Schuldenfrage allein lässt sich keine Wahl gewinnen. Das musste am Sonntag schmerzlich Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU) erfahren, der allen für ihn günstigen Wahlvorhersagen zum Trotz in die Stichwahl muss.

Möglicherwiese hat dazu auch die Serie von Pannen und Peinlichkeiten beigetragen, die ihm in den letzten Wochen unterlaufen ist und die sein Herausforderer Thomas Geisel (SPD) genüsslich ausschlachten konnte. Für Elbers, dessen schwarz-gelbe Mehrheit im Stadtrat eine rundum positive Wirtschaftsbilanz vorlegen konnte, hat sich die solide Haushaltspolitik nicht in ausreichend Wählerstimmen niedergeschlagen.

Mit umgekehrten politischen Vorzeichen wird sich auch in Mönchengladbach der bisherige Amtsinhaber, Oberbürgermeister Norbert Bude (SPD), am 15. Juni zur Stichwahl stellen müssen. In Gladbach schaffte es CDU-Herausforderer Hans Wilhelm Reiners "auf Augenhöhe" fast genauso viele Stimmen zu holen wie Bude. Beide blieben unter der nötigen absoluten Mehrheit von 50 Prozent plus x. Das schlechte Abschneiden von Norbert Bude führen Insider auch auf dessen private Situation zurück. Der OB hat sich von seiner Frau getrennt, die ebenfalls in der SPD verwurzelt ist.

Die Stichwahlen, die es jetzt auch in anderen Städten geben wird, führen zu einer Fortsetzung des Wahlkampfes um bis zu drei Wochen. Normalerweise müsste spätestens zwei Wochen nach der Wahl das Duell stattfinden, doch wegen des Pfingstfestes haben die Kommunen Wahlfreiheit; die meisten haben sich für den 15. Juni entschieden. Dieser zweite Wahlkampf wird auch von der Frage bestimmt, welche Mehrheiten im Rat möglich sind.

Während in Mönchengladbach schon vor der Wahl eine schwarz-rote Zusammenarbeit erwartet wurde, ist in der Landeshauptstadt eine Vielzahl politischer Kooperationen denkbar, darunter auch ein schwarz-grünes Bündnis. Sollte es dazu kommen, läge ein "Deal" zwischen CDU und Grünen bei der Oberbürgermeisterwahl nahe. Für die Fortsetzung des bisherigen schwarz-gelben Bündnisses im Rat fehlt die Mehrheit.

Die Grünen, die ihre Kandidatin nun nicht mehr ins Rennen schicken können, da die OB-Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern ausgetragen wird, könnten sich bereiterklären, für Elbers zu stimmen, wenn ihnen der CDU-Politiker ein Gegenangebot macht. Genauso könnte es auch in Mönchengladbach ablaufen. Dort ist ebenfalls ein schwarz-grünes Bündnis denkbar, auch wenn sich SPD und CDU in den vergangenen Monaten bereits inhaltlich angenähert haben.

Der doppelte Wahlerfolg der CDU in Mönchengladbach - 41,5 Prozent bei der Ratswahl gegenüber 29,4 Prozent bei der SPD - und die erreichte Stichwahl gegen den seit zehn Jahren amtierenden SPD-Oberbürgermeister könnte die Partei beflügeln, stärker auf die Grünen zuzugehen. Der Gladbacher CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings, hätte als Kreisparteivorsitzender die Aufgabe, ein solches Bündnis zu moderieren.

In zahlreichen Kommunen stürzte die FDP ab. Die Sprachregelung der Parteispitze lautete gestern Abend: Man könne nicht innerhalb weniger Monate verloren gegangenes Vertrauen wieder wettmachen. Und doch haben die Liberalen in einigen wenigen Städten und Gemeinden beachtliche Erfolge erzielen können. So errang der Landtagspolitiker Dietmar Brockes bei der Bürgermeisterwahl in Brüggen beachtliche 19,3 Prozent. Bei den Ratswahlen war die FDP dort erfolgreich, wo ihre Stammklientel zu Hause ist, so etwa in Meerbusch (11,3 Prozent) oder in Willich (12,5 Prozent).

Die typischen FDP-Themen wie Schuldenfreiheit oder Video-Beobachtung werden in den Kommunen bei den Sondierungsgesprächen der nächsten Wochen eine untergeordnete Rolle spielen, da die Liberalen als Mehrheitsbeschaffer vielerorts ausgedient haben. Die soziale Frage um Kindergartenbeiträge und bezahlbaren Wohnraum wird an Bedeutung gewinnen; die Themen deuten auf große Bündnisse hin.

Europawahl 2019: Wahlpartys der deutschen Parteien
11 Bilder

Wie die deutschen Parteien ihr Wahlergebnis feierten

11 Bilder
Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Für SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und CDU-Oppositionsführer Armin Laschet, die sich beide Sieger der Kommunalwahl fühlen, bleibt die politische Ausgangssituation im Land gleichwohl schwierig. Beide haben die Landtagswahl 2017 vor Augen. Zwar arbeiten SPD und CDU im Bund in der großen Koalition zusammen, aber hier im Land müssen beide Parteien weiterhin auf Eigenständigkeit bedacht sein.

Das gestrige Wahlergebnis ändert nichts an dem seit Langem bestehenden Spannungsverhältnis zwischen Land und Kommunen. Noch in diesem Jahr wird es zu einer spektakulären Kraftprobe kommen. Nach der Sommerpause wollen 59 nordrhein-westfälische Städte das Land wegen des Kommunal-Soli vor dem Verfassungsgerichtshof (VGH) in Münster verklagen. Sie halten es für ungerecht, dass sie zusätzliche Opfer für finanzschwache Städte bringen sollen.

Dabei hat die rot-grüne Landesregierung bereits einen kräftigen Rückzieher gemacht. Ursprünglich sollten die steuerstarken ("abundanten") Städte pro Jahr 182 Millionen Euro für den "Stärkungspakt Kommunalfinanzen" aufbringen. Nach heftigen Protesten von Opposition und Kommunen reduzierte Innenminister Ralf Jäger (SPD) den Betrag auf rund 91 Millionen pro Jahr. "Wir brauchen die Solidarität der kommunalen Familie", betont Jäger.

Doch die Geber-Städte, von denen etliche überdies selbst mit massiven Haushaltsproblemen zu kämpfen haben, wollen grundsätzlich nicht zahlen. Es könne nicht sein, dass Kommunen, die ordentlich wirtschaften, vom Land weiter in die Pflicht genommen werden, argumentieren sie. Tatsächlich zweigt das Land 115 Millionen Euro pro Jahr für den Stärkungspakt vorweg von den Zuweisungen ab, die es den Kommunen im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG) gibt.

Während das Verhältnis Land-Kommunen mithin auch in Zukunft noch argen Belastungen ausgesetzt sein wird, muss sich jetzt nach den Wahlen in den Städten und Gemeinden herauskristallisieren, mit welcher politischen Ratsmehrheit die Probleme vor Ort angegangen werden können. Zünglein an der Waage dürften vielerorts die Grünen sein. Die Landespartei wolle sich dabei aber nicht einmischen, hat Parteichefin Monika Düker versichert. Die Schwarz-Grüne Option ist eine Herausforderung - für Laschet wie für Kraft. 2017 ist die Landtagswahl.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort