Brüssel Jetzt doch grünes Licht für Regierung in Belgien

Brüssel · Erst die Herabstufung der Kreditwürdigkeit hat die zerstrittenen Lager Belgiens zur Vernunft gebracht – nach 530 Tagen ohne Regierung: In einem 18-stündigen Verhandlungsmarathon einigten sich die sechs beteiligten Parteien der Flamen und Wallonen am Wochenende auf den Haushalt für die kommenden drei Jahre. Damit ist der Weg frei zu einer neuen Regierung unter dem frankophonen Sozialisten Elio Di Rupo. "So schnell wie möglich" solle der nun seine Koalition schmieden, trug ihm König Albert II. auf. Es seien dazu allerdings noch einige Tage nötig, sagte Di Rupo gestern.

Erst vorigen Montag hatte der königliche Vermittler Di Rupo das Handtuch geworfen und bei Albert um seine Entlassung gebeten. Weil sich die flämischen Liberalen und die wallonischen Sozialisten nicht auf die nötigen Einsparungen von 11,3 Milliarden Euro einigen konnten, drohte das Land noch tiefer im Chaos zu versinken. Doch dann stufte Standard & Poor's am Freitagabend die Bonität Belgiens von AA+ auf AA herab. Besonders unter Druck steht der Finanzsektor: Die Rettung der französisch-belgisch-luxemburgischen Bank Dexia verschlingt Milliardensummen und ist noch lange nicht geglückt.

Nachdem schon in den Tagen zuvor die Zinsen für belgische Staatsanleihen weit über fünf Prozent geklettert waren, wurde den Parteien endgültig die Ausweglosigkeit bewusst – und sie rauften sich zusammen. Ein Sprecher Di Rupos konnte schließlich erklären, man habe sich auch auf Strukturreformen sowie Reformen des Arbeitsmarktes und des Rentensystems geeinigt.

Einer der hartnäckigsten Blockierer, Alexander De Croo von den niederländisch sprechenden Liberalen, gab sich nach dem Durchbruch zuversichtlich: Die Einsparungen und die Reformen "werden den europäischen Test mit Bravour bestehen", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Belga. Auch die Finanzmärkte würden nun überzeugt.

Der seit mehr als eineinhalb Jahren nur geschäftsführende Ministerpräsident Yves Leterme dagegen blieb besorgt. Selbst eine rasche Regierungsbildung könne den entstandenen Vertrauensverlust nicht rasch reparieren. "Misstrauen kommt herangaloppiert, Vertrauen trifft zu Fuß ein", sagte er. Die Risikoaufschläge für das Land würden deswegen vorerst hoch bleiben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort