Iglu-Studie 2017 Jeder fünfte Viertklässler liest schlecht - NRW will reagieren

Berlin/Düsseldorf · Besonders Kinder aus sozial schwächeren Familien haben Probleme beim Leseverständnis. Das zeigt eine neue internationale Studie. Nordrhein-Westfalen will mit einem Maßnahmenpaket gegensteuern.

 Viele Kinder haben Schwierigkeiten beim Lesen.

Viele Kinder haben Schwierigkeiten beim Lesen.

Foto: dpa, ua fpt bwe

Deutsche Viertklässler landen bei der neuesten Studie der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchug (Iglu) zur Lesekompetenz für das Jahr 2016 im Mittelfeld. Sie schneiden ungefähr so gut ab wie der Durchschnitt in der EU und der Industrieländer-Organisation OECD. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass die deutschen Schüler gegenüber früheren Studien zurückgefallen sind.

Beunruhigt äußerte sich die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Susanne Eisenmann (CDU): "Stagnation ist Rückschritt", sagte sie mit Blick auf jene Länder, die an Deutschland vorbeigezogen sind. 2001 waren das noch vier Staaten, inzwischen sind es schon 20. Besorgniserregend sei zudem, dass die Kluft zwischen guten und schlechten Schülern wachse: Zunehmend zählten Kinder aus bildungsfernen Schichten zu den Verlierern.

Probleme beim Verständnis

18,9 Prozent der Grundschüler wiesen der aktuellen Studie zufolge erhebliche Mängel beim Leseverständnis auf. 2001 waren es noch zwei Prozentpunkte weniger gewesen. Das heißt nicht, dass die Betroffenen keine Sätze lesen können; sie scheiterten an Verständnisfragen. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die eine sehr hohe Lesekompetenz aufweisen, im selben Zeitraum von 8,6 auf 11,1 Prozent gestiegen.

Gemessen an der Zahl der Bücher im Haushalt und dem Berufsstatus der Eltern gehört Deutschland weiter zu den Staaten, in denen die sozial bedingten Leistungsunterschiede am deutlichsten ausfallen. Inzwischen bestehe für Kinder mit höher gebildeten Eltern eine 3,4-fach größere Chance, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, als für Grundschüler aus einer sozial niedrigeren Schicht, erläuterte Wilfried Bos, Professor an der Technischen Universität Dortmund, der die Iglu-Studie durchgeführt hat.

In vielen Familien müssten heute beide Eltern Vollzeit arbeiten, weil sie etwa im Niedriglohnsektor tätig seien, sagte Birgit Völxen von der Landeselternschaft der Grundschulen NRW: "Dann fehlt zu Hause oft die Zeit, mit den Kindern zu lesen." Selbst wer das wolle, sich den Kauf vieler Bücher aber nicht leisten könne, "der steht samstags oder in den Weihnachtsferien bei den Leihbüchereien häufig vor verschlossenen Türen". So wecke man keinen Spaß am Lesen, kritisierte Völxen.

"Grundschule unterfinanziert"

Auch NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer nannte die Ergebnisse alarmierend: "Sie zeigen, dass die Anstrengungen der letzten Jahre nicht zu den erwünschten Leistungsverbesserungen geführt haben." Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Lehrerverbands Bildung und Erziehung, sieht die Probleme hausgemacht: "Statt über neue Fächer zu debattieren, sollte die Politik mehr Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Grundschulen sind seit Jahrzehnten unterfinanziert."

Diese Bücher haben Spuren hinterlassen
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NRW hat bereits einen "Masterplan Grundschule" angekündigt, der in den nächsten Wochen vorgelegt werden soll. Er sieht unter anderem die Beschränkung des Prinzips "Lesen durch Schreiben" vor - dabei sollen Schüler Lesen durch das Aufschreiben von Wörtern ungeachtet der korrekten Rechtschreibung lernen. Zudem soll es einen verbindlichen Grundwortschatz geben.

Forderungen etwa des Grünen-Bundestagsabgeordneten Kai Gehring, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern bei der Bildung aufzuheben, erteilen Eisenmann und die Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, Cornelia Quennet-Thielen, eine Absage. Bos mahnte eine schnelle Korrektur an: "Wir dürfen Potenziale nicht verschleudern." Es sei eine Schande, dass so viele Kinder nicht zum Erfolg geführt würden.

(maxk)
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