Jedem vierten Pflegeheim-Bewohner droht Wundliegen

Je pflegebedürftiger ein Mensch ist, desto größer ist sein Risiko, sich in einem Pflegeheim wund zu liegen oder an Mangelernährung zu leiden. Dies geht aus einer Studie der Universität Witten-Herdecke hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Die Studie soll heute präsentiert werden.

Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass jedem vierten Pflegeheim-Bewohner ein Dekubitus (Wundliegen) droht. Bei den völlig pflegeabhängigen Heimbewohnern zählen sogar mehr als 70 Prozent zu der Gruppe mit "hohem Risiko". Etwa 50 Prozent leiden auch tatsächlich an einem Dekubitus. Insgesamt weisen aber nur 3,8 Prozent aller Heimbewohner ein entsprechendes Geschwür auf.

Dekubitus ist ein Druckgeschwür, das bei langem Liegen ohne Bewegung entstehen kann. Am häufigsten treten die Druckgeschwüre am Gesäß, am unteren Rücken oder an der Ferse auf. Auch Knöchel oder Hüfte können betroffen sein. Deutschlands prominentester Dekubitus-Patient ist Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er hat sich den Dekubitus durch Sitzen im Rollstuhl zugezogen. Zurzeit ist der Spitzenpolitiker in einer Klinik, um die Wunde auszuheilen.

Die Wissenschaftler bescheinigen den Heimen eine relativ gute vorbeugende Arbeit. "Wir haben festgestellt, dass mit zunehmendem Risiko für Dekubitus oder Mangelernährung die Pflegenden auch mit entsprechenden Maßnahmen reagieren", sagte Sven Reuther, Autor der Studie, unserer Zeitung. In einigen Fällen sollte aber noch mehr Wert auf die Umsetzung von Standards und Richtlinien gelegt werden, betonte Reuther. Als wirksame Maßnahmen gegen das Wundliegen gelten Wechsellagerung, Eincremen und eine Beratung der Patienten.

Bereits vor einem Jahr hatten die Wissenschaftler aus Witten-Herdecke mögliche Mangelernährung in Heimen untersucht. Das Ergebnis war alarmierend. Damals galten 27 Prozent als mangelernährt, weitere 28 Prozent zählten zur Risikogruppe. Bei der aktuellen Untersuchung wurde die Ernährung der Heimbewohner erneut in den Blick genommen. Der Ernährungszustand der Heimbewohner hat sich verbessert. Allerdings gilt immer noch jeder fünfte Pflegeheim-Bewohner als mangelernährt. Weitere knapp 29 Prozent zählen zur Risikogruppe. Die Heime haben auf den Befund des schlechten Ernährungszustands ihrer Bewohner mit mehr energiereichen Zwischenmahlzeiten und mehr Trinknahrung reagiert. Einige Heime haben verstärkt Diät-Assistentinnen eingesetzt. Die Zahl der Altenheimbewohner, die als unterernährt gelten, ist allerdings von knapp 15 auf 18 Prozent gestiegen. Maßstab ist ein Body-Maß-Index von 20. Wer darunter liegt, gilt als unternährt. Dies betrifft beispielsweise eine Frau mit einer Größe von 1,70 Meter, die weniger als 58 Kilo wiegt. Ein besonders hohes Risiko für Mangelernährung tragen Demenzkranke.

Für die aktuelle Untersuchung wurden knapp 1700 Fälle in 29 Heimen in den Blick genommen. Vor einem Jahre waren es mehr doppelt so viele, knapp 4700 Fälle in 65 Heimen.

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