Was im Wahljahr 2023 ansteht Nachsitzen in Berlin, Spannung in Bayern und Hessen

In Berlin, Bremen Bayern und Hessen stehen Landtagswahlen an. Wer muss zittern, wer kann hoffen? Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat nach den Pannen im September 2021 eine besondere Bürde für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, in Bayern geht es für Markus Söder auch um seine Zukunft in der Politik

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) muss sich gleich im Februar dem Wählervotum stellen

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) muss sich gleich im Februar dem Wählervotum stellen

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Berlin ist pleite. 66 Milliarden Euro Schulden. Was Berlin nicht kann: Flughafen. Was es auch nicht kann: Wahlen. Und jetzt muss Franziska Giffey nach den Pannen bei der letzten Bundestagswahl im September 2021, mit der zeitgleich auch das Berliner Abgeordnetenhaus wie auch die Bezirksverordnetenversammlungen neu gewählt worden waren, um ihren Posten als Regierende Bürgermeisterin zittern. Die „Rejierende“, wie es in Berlin gerne heißt, muss sich am 12. Februar mit ihrem rot-grün-roten Senat dem Wählervotum der Berlinerinnen und Berliner neu stellen. So hat es das Landesverfassungsgericht nach den Wahlpannen im September 2021 entschieden. Entsprechend wittert CDU-Herausforderer Kai Wegner seine neue Chance gegen SPD-Frau Giffey, die im Juni 2021 – noch vor der Pannenwahl zum Abgeordnetenhaus -- schon ihren Doktortitel verloren hat. Versäumnisse, die der Regierung angelastet werden können, sind immer gut für die Opposition. Wegner will in Berlin zeigen, dass die CDU auch in Großstädten wiedergewinnen kann – und damit auch die Position des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz stärken. Nach einer letzten Umfrage liegt die CDU bei 21 Prozent, die SPD bei 19 Prozent und die Grünen bei 22 Prozent. Deren Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, Senatorin für Umwelt und Mobilität, macht sich Hoffnung, die nächste Regierende zu werden. Doch sie sorgt im Stadtstaat Berlin auch für Unmut. Die Grünen-Politikerin will ab Januar, Autoparkplätze auch für Fahrräder freigeben und sorgt damit für Aufregung in einer Stadt, in der freie Parkplätze ohnehin Mangel sind. Ihre Position: Der öffentliche Raum gehöre nicht den Autos allein. Wen immer die Berliner im Februar an die Spitze der Landesregierung wählen, dieses Mal soll bei der Wahl alles klappen: Damit sich anders als 2021 genügend Wahlhelfer finden, hat das finanziell klammen Berlin 240 Euro -- steuerfrei -- für jede Frau und jeden Mann ausgelobt, der am Wahlsonntag dabei ist, einen dieses Mal hoffentlich reibungslosen Wahlverlauf zu organisieren.

In Bremen wählen die Bürgerinnen und Bürger am 14. Mai 2023 ein neues Landesparlament, die Bremer Bürgerschaft. Hier führt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) eine rot-grün-rote Koalition. Inzwischen regiert die SPD in der Hansestadt seit 75 Jahren ununterbrochen. Bei der letzten Wahl 2019 hielten sich die Sozialdemokraten nach massiven Verlusten von acht Prozentpunkten allerdings nur mithilfe der Grünen und der Linkspartei an der Macht. Für die Linke wäre eine erneute Regierungsbeteiligung in Bremen – ihre einzige im Westen -- ein Hoffnungsanker nach einer Serie von Wahlniederlagen im Bund und in den Ländern. Listenführerin Kristina Vogt will versuchen, die Linke in der Regierung zu halten. Die Grünen wiederum bauen darauf, dass es auch für eine Zweier-Koalition in der Bürgerschaft reichen könnte. Ihre Spitzenkandidatin Maike Schaefer geht allerdings einigermaßen geschwächt von den eigenen Leuten in den Wahlkampf. Schaefer wurde bei der Listenaufstellung abgestraft. Für die Landes-CDU hofft deren Spitzenkandidat Frank Imhoff, den Abstand zur SPD weiter zu verringern. Nach Umfragen liegt die SPD bei 28 Prozent, die CDU bei 22 Prozent, die Grünen bei 19,5 Prozent, die Linke bei 9,5 Prozent, die AfD bei 10 Prozent. Die FDP muss bei 4,5 Prozent um den Einzug bangen.

In Bayern geht es im Herbst für Markus Söder um alles oder nichts. Es ist seine erste volle Legislaturperiode im Amt des Ministerpräsidenten, das er im März 2018 noch vor der Landtagswahl im selben Jahr (37,2 Prozent) von Horst Seehofer übernommen hatte, mit dem er sich einen langen Machtkampf lieferte. In der Partei war es über Monate wegen schlechter Umfragewerte turbulent. Die Christsozialen sorgten sich erstmals um den Machterhalt. Doch derzeit konsolidiert sich die CSU wieder mit Werten über 40 Prozent. Bei einem Ergebnis deutlich unter der 40-Prozent-Marke würde es für schwierig für den CSU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten, dessen Partei über Jahrzehnte absolute Mehrheiten im Freistaat gewohnt war. Die Grünen wollen wieder mit ihrer bei der Landtagswahl 2018 erfolgreichen Doppelspitze mit Katharina Schulze und Ludwig Hartmann in den Wahlkampf ziehen. Die 17,5 Prozent bei der Wahl 2018 veranlassten den damaligen Bundesvorsitzenden Robert Habeck für einen Freudensprung von der Bühne in die Menge. Derzeit liegen die Grünen in Bayern bei 18 Prozent. Die SPD schickt Florian von Brunn, Fraktionschef und Landesvorsitzender, als ihren Spitzenkandidaten ins Rennen. In Umfragen kommt die SPD auf gerademal zehn Prozent, deutlich zu wenig, um mit Grünen und FDP (drei Prozent) eine Mehrheit gegen Söder zu schaffen, der aktuell in einer Koalition mit den Freien Wählern (elf Prozent) regiert. Die Linke in Bayern ist mit zwei Prozent eine Restgröße. Die AfD kommt auf Werte von acht Prozent.

Ebenfalls im Herbst 2023 wählt auch Hessen einen neuen Landtag. Ähnlich wie Söder 2018 in Bayern übernahm in Wiesbaden CDU-Politiker Boris Rhein in diesem Sommer das Amt des Ministerpräsidenten in der laufenden Legislaturperiode von Volker Bouffier. Wenig Zeit für Rhein. Rund eineinhalb Jahre als Regierungschef reichen nicht, um als Landesvater in den Wahlkampf zu ziehen, in dem sein bisheriger Koalitionspartner Tarek Al-Wazir von den Grünen, sich gleichfalls Hoffnung macht. Al-Wazir will nach Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg womöglich der zweite Ministerpräsident mit Grünen-Parteibuch werden. Die CDU liegt in Umfragen bei 27 Prozent, Grüne und SPD bei jeweils 22 Prozent, die AfD bei 12 Prozent, die FDP bei sechs Prozent, die Linke bei drei Prozent. Bei der SPD wird allgemein damit gerechnet, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser, ehemals Generalsekretärin der Hessen-SPD, zeitig vor der Landtagswahl als Spitzenkandidatin zurück von Berlin nach Wiesbaden wechselt. Die Personalie hätten Folgen für Regierung und Ampel in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz bräuchte eine Nachfolge für Faeser und müsste dazu eventuell auch das Kabinett umbilden.

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