Jagd auf Christen

Immer mehr Christen werden wegen ihres Glaubens eingesperrt, vertrieben oder getötet. Die in Europa wenig beachtete Verfolgung findet weltweit statt, vor allem aber in muslimischen Ländern.

Düsseldorf Die vorläufig letzte Schreckensmeldung kam aus Indien: In der Stadt Davangere haben hinduistische Fanatiker am Sonntagabend einen christlichen Geistlichen während einer Andacht mit einem Beil angegriffen und schwer verletzt. Immer häufiger werden Christen in aller Welt zur Zielscheibe von Übergriffen.

In Alexandria sind bei dem Selbstmord-Anschlag in der Silvesternacht mehr als 20 Christen ums Leben gekommen. Schon Anfang Januar 2010 waren bei einer Attacke auf eine koptische Kirche im mittelägyptischen Nag Hamadi sieben Menschen getötet worden. Ein Racheakt wegen einer Vergewaltigung, so hieß es damals. Aber die kleine koptische Minderheit ist es leidvoll gewohnt, wegen ihres Glaubens angegriffen zu werden. Sie ist nicht allein. Weltweit, so schätzt die überkonfessionelle Organisation "Open Doors", werden 100 Millionen Christen verfolgt. In mehr als 50 Staaten würden Gottesdienste gestört oder verhindert, Christen zusammengeschlagen, in Gefängnisse gebracht und unter Druck gesetzt, ihren Glauben an Jesus zu verleugnen, kritisiert das 1995 in den Niederlanden gegründete Hilfswerk für verfolgte Christen. Und eine Besserung sei nicht in Sicht.

Die düstere Liste der Länder, in denen Christen besonders brutal unterdrückt werden, wird demnach von Nordkorea angeführt. Das dortige Regime gehe gegen Mitglieder von Untergrund-Gemeinden, denen mindestens 200 000 Menschen angehörten, mit Verhaftungen, Folter oder Hinrichtungen vor, schreibt "Open Doors" in ihrem aktuellen Jahresbericht. Bis zu 70 000 Christen würden in über 30 Arbeits- und Straflagern gefangen gehalten. Auch im Nachbarland China drangsaliere der Staat seine 70 Millionen Christen, vor allem jene, die sich nicht den offiziellen Kirchen anschließen mögen.

Am unsichersten aber sieht es für Christen aus, die in der islamischen Welt leben. Drei von vier Ländern, in denen Christen verfolgt werden, sind laut "Open Doors" islamisch geprägt. So herrscht in Ländern wie Iran und Saudi-Arabien nackte Unterdrückung. Gottesdienste sind strikt untersagt, christliche Literatur verboten, Missionierung sowieso: Der Übertritt eines Muslims zum christlichen Glauben gilt als todeswürdiges Verbrechen. Häufiger aber noch geht die Gewalt von fundamentalistischen Moscheen aus oder vom Mob, der sich seine Opfer wahllos auf der Straße sucht. Auch das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" verweist darauf, dass in einigen islamischen Ländern wie Ägypten, Indonesien oder Pakistan die von "privaten" Gruppen ausgehende Bedrohung zunehme. Oft genießen diese Gruppen allerdings die stillschweigende Unterstützung der Machthaber oder profitieren von deren Tatenlosigkeit.

Die Attentate in Alexandria und davor in Bagdad scheinen das zu bestätigen. Die Erstürmung einer syrisch-katholischen Kirche in der irakischen Hauptstadt durch islamische Extremisten Ende Oktober, bei der es 60 Todesopfer gegeben hatte, war das bisher erschütterndste Beispiel der seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 wachsenden Gewalt gegen Christen. Viele von ihnen suchen ihr Heil in der Flucht. Die Zahl der Christen im Irak soll von einst 1,2 Millionen auf unter 400 000 gesunken sein.

Dazu kommen vielfältige Formen der Diskriminierung. Christen werden bei der Ausbildung und am Arbeitsplatz benachteiligt oder von Ämtern ausgeschlossen. Es gibt freilich auch Staaten, in denen Christen und Muslime friedlich nebeneinander leben. Der Vergleich zeigt, dass die Lage meist erst dann explosiv wird, wenn zu den religiösen Differenzen auch ethnische kommen. Häufig spielen auch Rivalitäten zwischen Clans oder Konflikte um Ressourcen ein Rolle.

(Rheinische Post)
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