Rom Italiener stimmen gegen Renzi

Rom · Die Verfassungsreform von Ministerpräsident Matteo Renzi ist in einer Volksabstimmung gescheitert. Jetzt droht dem Land eine erneute Regierungskrise. In der Euro-Zone werden Turbulenzen befürchtet.

Rom: Italiener stimmen gegen Renzi
Foto: dpa, drn ase ase

Die Italiener haben ihr Land und womöglich Europa in eine neue Krise gestürzt. Sie lehnten in einer Volksabstimmung die Reformpläne ihres sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi ab, die eine Vereinfachung der Gesetzgebung vorgesehen hatten. Nach verschiedenen Hochrechnungen vom späten Abend stimmten fast 60 Prozent mit Nein, lediglich gut 40 Prozent mit Ja. Renzi hatte für den Fall einer Niederlage seinen Rücktritt angekündigt.

Mehr als 46 Millionen Italiener im Inland und vier Millionen im Ausland waren wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung war hoch - gerechnet wurde mit einem Wert von fast 70 Prozent. Renzi war es jedoch offenbar trotzdem nicht gelungen, genügend Wähler zu mobilisieren.

Nach den Plänen der Regierung sollte bei der weitreichendsten Reform seit dem Zweiten Weltkrieg unter anderem der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, entmachtet werden, damit Gesetzesvorhaben nicht mehr so leicht blockiert werden können. Gegner des Reformvorhabens befürchteten jedoch einen Demokratieverlust.

Die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo, die Lega Nord und die konservative Partei Forza Italia des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi hatten gegen die Reform mobilgemacht. Grillo hatte Renzi im Wahlkampf "verwundete Wildsau" genannt. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini sprach nach den ersten Ergebnissen von einem "Sieg des Volkes".

Aus verschiedenen Landesteilen kamen Klagen, dass in den Wahlkabinen einfache Bleistifte auslagen und die Kreuze hätten ausradiert werden könnten. Das Innenministerium teilte mit, es habe in diesem Jahr 80.000 nicht ausradierbare Stifte an die Provinzen verteilt. Diese hätten aber auch Stifte aus früheren Jahren ausgeben können.

Das Ergebnis ist hochbrisant für Europa. Tritt Renzi nun zurück, gelten Neuwahlen 2017 als möglich - oder eine Übergangsregierung, die bis zu regulären Wahlen 2018 amtiert. Als Renzis möglicher Nachfolger gilt Finanzminister Piercarlo Padoan. Unklar ist aber, ob Staatspräsident Sergio Mattarella einen Rücktritt annehmen würde; er könnte auch Renzi nach dessen Rücktritt erneut mit der Regierungsbildung beauftragen.

Noch gravierender dürften die Folgen an den Finanzmärkten und für den Euro sein - befürchtet werden schwere Turbulenzen. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Mit einem Schuldenstand von mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung ist es nach Griechenland das am höchsten verschuldete EU-Land. Nach einer jahrelangen Rezession gab es erst 2014 wieder leichtes Wachstum; die Banken sitzen auf faulen Krediten im Umfang von 300 Milliarden Euro. Das ist eine explosive Mischung, wenn eine Regierungskrise hinzukommt. Im asiatischen Handel gab der Euro am Abend deutlich nach.

Neuwahlen hält der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang, für das größte Risiko nach dem italienischen Referendum - auch wenn bei einem Rücktritt Renzis mit der schnellen Bildung einer Übergangsregierung zu rechnen sei. Lang trat allerdings zugleich Befürchtungen entgegen, Italien könne nun aus der Euro-Zone austreten: "An den Finanzmärkten kann die Europäische Zentralbank mit ihrem Anleiheaufkaufprogramm größere Verwerfungen abfedern. Darüber hinaus hat die EZB die Mittel, um die italienischen Banken liquide zu halten."

(RP)
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