Rom Italien will weg vom Image des Aschenputtels

Rom · Matteo Renzi ist erst seit ein paar Monaten im Amt, und schon hat sich sein Ruf als quirliger Erneuerer etabliert. Reformen im Sauseschritt verordnet der jugendliche italienische Regierungschef seinem Land nach Jahren tiefer Rezession und politischer Agonie.

Mit einem Spitzenergebnis seiner sozialdemokratischen PD (Demokratische Partei) bei den Europa-Wahlen Ende Mai im Rücken hat der 39-jährige Wirbelwind aus Florenz Aufwind auch bei der nächsten Aufgabe: Italien, drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, hat im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft inne. In den sechs Monaten will Renzi, überzeugter Europäer, eigene Akzente setzen.

Die "Methode Renzi" nennt man in Italien bereits die selbstbewusste und etwas hemdsärmelig wirkende Art, mit der das bisherige Sorgenkind der EU umgekrempelt werden soll - und jetzt, wenn es nach ihm geht, auch Europa. Trotz des riesigen italienischen Schuldenberges und der ungeheuren Strukturprobleme der Wirtschaft übernimmt Renzi nicht als ein Bittsteller das Ruder von den Griechen. Italien sei stark, könne Europa viel geben, doch die Europäische Union müsse sich auch bewegen, sagt Renzi gern. "Die Phase der strengen Sparpolitik, die nicht auf Wachstum und Entwicklung abzielt, ist vorbei", das ist sein Credo. Weniger Bürokratie und dafür flexiblere Brüsseler Haushaltsregeln, vor allem beim EU-Stabilitätspakt, weniger Austeritätspolitik für die Länder, die sich wie Italien nach der Krise erneuern müssen. Das sind freilich Forderungen, die gerade in Deutschland nicht auf Begeisterung stoßen.

Ein anderes Problem drückt vor allem die Italiener: Europa soll dem Mittelmeerland, das seit Jahresbeginn weit mehr als 55 000 Flüchtlinge gerettet hat, dabei helfen, den enormen Migrantenstrom zu bewältigen: "Europa muss dies gemeinsam bewältigen", fordert Renzi. Demonstratives Selbstvertrauen gehört für ihn zum Image, das er sich gibt. Was die EU-Ratspräsidentschaft angeht, hat er indessen guten Grund dazu.

Renzi und seiner Mitte-Links-Partei ist es mit einem kritischen, dabei aber durchaus positiven Europa-Kurs gelungen, die starken italienischen Populisten in Schach zu halten. Die PD holte herausragende 40,8 Prozent bei den Europa-Wahlen, die euroskeptische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) von Beppe Grillo und Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) folgten weit abgeschlagen. So gab Italien aus Renzis Sicht ein Zeichen der Hoffnung an Europa und kann neue Führungsaufgaben für Reformen auch in Brüssel beanspruchen.

"Jahrelang war Italien das Aschenputtel, war der letzte Wagen der Lokomotive und hatte nur den Ehrgeiz, nicht wie Athen zu enden", so Renzi. Nun aber wolle das Land Europa führen: "Wir legen die Karten auf den Tisch und werden sagen, wo wir politischen Wandel für nötig halten, angefangen bei der Infrastruktur-Politik." Italien brauche Europa, Europa vor allem aber auch Italien, so die Gleichung.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort