Mindestens 22 Tote Israel greift Flüchtlingslager an

Dschenin/Jerusalem (rpo). Israelische Truppen haben im Westjordanland ein Flüchtlingslager angegriffen. Dabei sind mindestens 22 Menschen ums Leben gekommen.

Israelische Truppen umringten am frühen Freitagmorgen ein Flüchtlingslager in Dschenin (Westjordanland) und lieferten sich stundenlange Feuergefechte mit bewaffneten Palästinensern.

Dabei wurden in Dschenin sechs Palästinenser getötet, darunter ein 10 Jahre altes Mädchen. Mehr als 100 Einwohner erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen. Die israelische Aktion folgte auf eine neue Welle palästinensischer Anschläge. Deutschland und die USA äußerten sich besorgt über die Eskalation in den Palästinensergebieten. Die USA riefen Israel zur Zurückhaltung auf.

Unter den bei Feuergefechten in Dschenin getöteten Palästinensern war nach Medienberichten auch ein ranghohes Mitglied des militärischen Flügels der radikal-islamischen Hamas-Bewegung, Chaled Dschamal Nasam. Im Balata-Flüchtlingslager setzten die Soldaten die Suche nach militanten Palästinensern fort und durchkämmte dabei Haus für Haus. Ein älterer Palästinenser erlitt einen Herzinfarkt. Im nördlichen Gazastreifen wurde ein siebenjähriger Junge, der auf der Straße spielte, von israelischen Panzer-Geschossen tödlich getroffen.

Nach israelischen Angaben wurden bei der Aktion in Balata zahlreiche Waffen konfisziert und eine Fabrik zur Herstellung von Rohrbomben entdeckt. Einwohner berichteten, das Lager sei am Morgen vollständig abgeriegelt worden. Zahlreiche mutmaßliche Extremisten wurden von der Armee festgenommen. Nach palästinensischen Angaben zerstörten die Soldaten in Balata auch das Haus von Nasser Awid, dem örtlichen Führer der militärischen Flügels der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Fatah drohte am Freitag mit Raketenangriffen auf israelische Städte, sollte die Armee länger in den Lagern bleiben. Arafat appellierte an die internationale Gemeinschaft, sofort gegen die israelischen Angriffe zu intervenieren.

Am Donnerstag waren beim Vorstoß der israelischen Armee auf die beiden palästinensischen Flüchtlingslager im Westjordanland mindestens 13 Palästinenser und ein israelischer Soldat getötet worden. Es war das erste Mal seit Beginn des Friedensprozesses, dass israelische Truppen ins Zentrum eines Flüchtlingslagers vordrangen.

US-Außenminister Colin Powell rief Israels Regierungschef Ariel Scharon Medienberichten zufolge am Donnerstagabend bei einem Telefonat zur Zurückhaltung auf. Scharon habe hingegen betont, das Wichtigste sei gegenwärtig, "die Terroristen zu stoppen".

In der Nacht zum Freitag beschossen Palästinenser stundenlang den Jerusalemer Vorort Gilo. Vier Bewohner wurden leicht verletzt sowie Dutzende Wohnungen und mehrere Autos beschädigt. Außenamtssprecher Richard Boucher erklärte am Donnerstag in Washington, die USA respektierten das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Es sei aber auch wichtig, dass Israel Schritte unternehme, die eine Normalisierung erleichterten.

Bundesaußenminister Joschka Fischer erklärte nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in Berlin, die Bundesregierung sei über die Lage "höchst besorgt". Dies gelte insbesondere für die Kämpfe im Flüchtlingslager Balata, die eine große Anzahl von Opfern gefordert hätten. Auch Annan forderte Israel zum sofortigen Abzug aus den Lagern aus und sagte, er sei sehr "besorgt" angesichts der vielen palästinensischen Toten.

(RPO Archiv)
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