Wegen Massakers im Libanon 1982 Israel: Entrüstung nach Urteil zu Scharon-Anklage

Jerusalem/Brüssel (rpo). Nach Ablauf seiner Amtszeit könnte Israels Regierungschef Ariel Scharon eine Anklage in Belgien drohen. Ein entsprechendes Gerichtsurteil hat in Israel Entrüstung ausgelöst.

Die Anklage droht ihm wegen eines Massakers an Hunderten Palästinensern im Libanon 1982. Während belgische Menschenrechtler die Entscheidung des höchsten belgischen Gerichts begrüßten, sprach der israelische Staatspräsident Mosche Katzav am Donnerstag Belgien in einem Brief an König Albert II. das "moralische Recht" ab, israelische Politiker und Offiziere anzuklagen.

Außenminister Benjamin Netanjahu brachte die Entscheidung in Zusammenhang mit europäischem Antisemitismus im Mittelalter. Er hatte den israelischen Botschafter in Brüssel schon am Mittwochabend zu Konsultationen nach Jerusalem zurückgerufen. Palästinenserführer Jassir Arafat begrüßte das belgische Urteil.

Die belgischen Richter entschieden, dass Scharons diplomatische Immunität als Politiker zwar eine Anklage wegen seiner Rolle bei einem Massaker in den Beiruter Flüchtlingslagern Sabra und Schatila verhindert, doch sei es Angehörigen der Opfer frei gestellt, den jetzt fast 75-Jährigen nach seiner Amtszeit erneut anzuzeigen. Grundlage dafür ist ein Gesetz von 1993, das sich gegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit richtet. Zur Zeit liegen dem Gericht Anzeigen gegen Politiker wie Arafat, den kubanischen Staats- und Parteichef Fidel Castro und den irakischen Machthaber Saddam Hussein vor.

Mit Scharon müssen mehrere israelische Politiker und Offiziere wegen ihrer indirekten Verwicklung in das Massaker mit Anklagen rechnen. Scharon war 1982 als Verteidigungsminister für den Einmarsch Israels in das Nachbarland verantwortlich. Bei dem Massaker christlicher Milizen wurden hunderte Palästinenser, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, getötet.

Der israelische Justizminister Meir Schitrit nannte es am Donnerstag "inakzeptabel, dass diese kleine und unbedeutende Nation nun der Richter für die ganze Welt sein soll". Dies sei "eine Schande für das Rechtssystem in diesem Land". Der damalige Befehlshaber der israelischen Armee in Beirut, Amos Jaron, der mit einer Anzeige rechnen muss, nannte das Urteil "politisch, gefährlich, und sehr ernst".

Belgien ist das einzige Land der Welt, in dem ein Gesetz die Verfolgung von Verstößen gegen das Völkerrecht unabhängig vom Tatort erlaubt. Im Fall Scharons haben Überlebende und Angehörige der Opfer des Massakers von Sabra und Schatila geklagt.

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