Nach Selbstauflösung des Parlaments Israel: Abtrünnige Minister zurückgetreten

Jerusalem (dpa). Einen Tag nach der beschlossenen Selbstauflösung des israelischen Parlaments sind am Donnerstag Rufe nach einer Änderung des israelischen Wahlrechts laut geworden. Die Knesset hatte am Mittwoch mit den Stimmen zahlreicher Koalitionsabgeordneter in erster Lesung für die Auflösung der Kammer und Neuwahlen drei Monate nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes gestimmt.

Ministerpräsident Ehud Barak erklärte am Mittwochabend im israelischen Fernsehen, er betrachte die sechs Minister, die am Mittwoch im Parlament mit der Opposition gestimmt hatten, "als zurückgetreten". Barak sagte, er werde "bereits in ein paar Tagen" eine neue Regierung vorstellen. Über das Schicksal der abtrünnigen Minister, darunter vier von der ultra-orthodoxen Schas-Partei, soll am Sonntag endgültig das Kabinett beschließen. Barak bekräftigte: "Neuwahlen wird es nicht geben."

Eine repräsentative Meinungsumfrage Stunden nach der Knesset- Entscheidung bestätigte inzwischen, dass Barak trotz der Niederlage der populärste Politiker Israels ist. Bei einer Neuwahl würden noch 43 Prozent für ihn stimmen, nur 33 Prozent für den rechtsgerichteten Likud-Oppositionsführer Ariel Scharon. Die am Donnerstag veröffentlichte Umfrage der Tageszeitung "Jedioth Achronot" ergab jedoch auch, dass bei Parlamentswahlen die bisherigen Mehrheitsverhältnisse praktisch unverändert blieben.

Während Regierungschef Barak mit seinen engsten Vertrauten die äußerst schwierige Bildung einer neuen Koalition diskutierte, forderten Vertreter der großen säkularen Parteien die Abschaffung der erst vor zwei Legislaturperioden eingeführten Direktwahl des Ministerpräsidenten, die nach Ansicht aller Experten die kleineren Parteien unverhältnismäßig gestärkt hat.

Die Direktwahl des Regierungschefs hat dessen politische Position fast unangreifbar gemacht, da er nur über eine Drei-Viertel-Mehrheit gestürzt werden kann. Sie führte jedoch dazu, dass die bis 1996 dominierenden Parteien - die Arbeitspartei und der rechtsgerichtete Likud-Block - viele Sitze an kleinere Gruppen, insbesondere die ultra-orthodoxe Schas-Partei, abgeben mussten.

Führende Vertreter des Likud und des Regierungsbündnisses "Ein Israel", unter ihnen der Fraktionschef von "Ein Israel", Ofir Pines- Pas, kündigten an, dass in den kommenden Wochen ein in der vergangenen Legislaturperiode eingebrachtes Gesetz erneut beraten werden soll, das die Direktwahl abschafft. Außerdem wird erwogen, die parlamentarische Hürde für kleine Parteien von bisher 1,5 Prozent um ein Prozent zu erhöhen.

(RPO Archiv)
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