Bagdad IS nutzt Ramadan für beispiellose Terrorserie

Bagdad · Die Zahl der Toten nach dem verheerenden Autobomben-Anschlag in Bagdad ist auf über 200 gestiegen.

Die Wucht des Anschlags war selbst für Bagdader Verhältnisse außergewöhnlich. Die Detonation der Autobombe in einem beliebten Einkaufsviertel der irakischen Hauptstadt tötete am Sonntag mehr als 200 Menschen und zerstörte ganze Gebäude. Wo ein Einkaufszentrum mit Leuchtreklame stand, blieben nur ausgebrannte Mauern. In den sozialen Medien verbreiteten Iraker Fotos ganzer Familien, die bei dem Anschlag ausgelöscht wurden. Mit dem Attentat hat der Terror des Islamischen Staates einen neuen Höhepunkt erreicht.

Der Angriff in Bagdad war der dritte Anschlag innerhalb kurzer Zeit, für den die Miliz verantwortlich gewesen sein dürfte. Erst attackierten drei Selbstmordattentäter den Istanbuler Flughafen und rissen 45 Menschen mit in den Tod. Dann folgte die Horrornacht in Bangladesch, als bei einer Geiselnahme 28 Menschen starben. Hinzu kommen vereitelte Anschläge in Kuwait.

Ein weiterer Anschlag gestern könnte der nächste Akt in der mörderischen Kampagne der sunnitischen Terrormiliz sein: Die Moschee mit dem Grab des Propheten Mohammed in Medina (Saudi-Arabien) wurde Ziel eines Selbstmordanschlags. Der Attentäter habe sich bei einem Gebäude der Sicherheitskräfte vor der Prophetenmoschee in die Luft gesprengt, berichtete der arabische Nachrichtenkanal Al Arabija. Die Moschee ist nach Mekka die zweitheiligste Stätte des Islam. In ersten Medienberichten war von vier toten saudischen Sicherheitskräften die Rede.

Während der Ramadan für die meisten Muslime eine Zeit der Besinnung ist, nutzt ihn der IS, um seinen "Heiligen Krieg" zu verschärfen. Die Terrormiliz reagiert mit Attentaten auf die militärische Lage in Syrien und im Irak, wo die Extremisten unter Druck geraten sind. Erst vor wenigen Wochen konnte die irakische Armee die IS-Hochburg Falludscha im Westen des Landes zurückerobern und damit auch eine wichtige Versorgungsroute der Miliz abschneiden. Täglich fliegen Jets der US-geführten internationalen Koalition in Syrien und im Irak Luftangriffe auf die Dschihadisten.

Die schnelle Abfolge der jüngsten Terrorattacken sei geplant gewesen, sagt die Nahost-Expertin Lina Khatib von der britischen Denkfabrik Chatham House: "Je mehr die Organisation militärisch unter Druck steht, desto mehr wird sie versuchen, das mit Attacken in der ganzen Welt zu kompensieren." Um weiter Kämpfer anwerben zu können, muss der IS Erfolge vorweisen. Das gilt vor allem für potenzielle Geldgeber. Im Irak richten sich die Attentate immer wieder gegen Schiiten, die für die sunnitischen IS-Extremisten Abtrünnige sind. Damit will die Miliz weiter Zwietracht zwischen den beiden Konfessionen säen. In Bangladesch waren die meisten Opfer Ausländer. In Istanbul nahmen die Selbstmordanschläge einen Ort ins Visier, den auch viele Ausländer nutzen.

(RP)
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