Paris "Wir machen aus der EM einen Friedhof"

Paris · Ein 25-jähriger Islamist tötet bei Paris einen französischen Polizisten und dessen Freundin, zeigt es live im Internet und droht dem Land.

IS: Larossi Abballa tötet in Magnanville bei Paris zwei Polizisten
Foto: afp

Es war eine ruhige Einfamilienhaussiedlung mit hohen Hecken um die Vorgärten, die am Montagabend vom Terrorismus erschüttert wurde. Im Namen des Islamischen Staats tötete der 25-jährige Larossi Abballa in Magnanville, rund 50 Kilometer von Paris entfernt, einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitete. Der dreijährige Sohn des Paares erlebte den Messerangriff mit, erlitt aber keine Verletzungen. Der bereits wegen Terrorplanung vorbestrafte Täter veröffentlichte noch während des Überfalls ein Live-Video bei Facebook, in dem er drohte: "Wir werden aus der EM einen Friedhof machen." Die von der Terrormiliz IS als Sprachrohr genutzte Nachrichtenagentur Amak verbreitete das Video. Darin wendet sich Abballa an Frankreichs Präsidenten François Hollande und sagt, er habe den Polizisten und seine Frau erbarmungslos getötet.

Dem Pariser Staatsanwalt François Molins zufolge begann das Drama am Montag kurz nach 20 Uhr, als Abballa dem 42-jährigen Kommandeur vor dessen Haus auflauerte und ihn mit einem Messer tötete. Danach folgte ein Nervenkrieg im Innern des Hauses, wo sich der 25-Jährige stundenlang verschanzte. Er erstach dort die 36-jährige Lebensgefährtin und ließ ein blutiges Messer auf dem Tisch zurück. Die Elite-Einheit Raid, die ein Nachbar zu Hilfe gerufen hatte, verhandelte zunächst mit dem Angreifer. Dabei bekannte der Täter seine Zugehörigkeit zum IS und berief sich auf einen Appell der Dschihadistenorganisation, "die Ungläubigen zusammen mit ihren Familien zu töten".

Als Abballa drohte, sich in die Luft zu sprengen, griff die Polizei gegen Mitternacht ein und befreite das Kind des Paares, das das Gemetzel hatte mitansehen müssen. Im Haus fanden Polizisten eine Liste mit weiteren potenziellen Zielen, darunter die Namen mehrerer bekannter Personen und Berufsgruppen wie Journalisten, Polizisten und Rapper.

Abballa war 2013 wegen Vorbereitung von Terrorakten zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden, die er unter Anrechnung seiner U-Haft auch absaß. Damals ging es um die Rekrutierung Freiwilliger für eine afghanisch-pakistanische Terrorzelle. Nach seiner Haft meldete er sich laut Molins vorschriftsmäßig bei den Behörden und wies sowohl einen Wohnsitz als auch Arbeit in seinem eigenen Sandwich-Lieferdienst nach. Der in einem Sozialbau in Mantes-la-Jolie bei Paris lebende Sohn marokkanischer Einwanderer geriet im Februar erneut ins Visier der Justiz, weil er Kontakt zu einem nach Syrien abgewanderten mutmaßlichen IS-Kämpfer hatte. Der Verdächtige wurde abgehört und geortet. "Es gab kein Element, das die Vorbereitung eines Terroraktes ergab", sagte Molins.

Nach der Bluttat, die Präsident François Hollande als "eindeutig terroristische Handlung" bezeichnete, nahm die Polizei drei Bekannte von Abballa fest. Es handele sich um Männer im Alter von 27, 29 und 44 Jahren, sagte der Staatsanwalt Molins. Nähere Details nannte er nicht. Innenminister Bernard Cazeneuve hatte zuvor gesagt, es gehe nun darum, mögliche Komplizen zu finden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurden aber weder Waffen noch Sprengstoff gefunden.

Bereits im vergangenen Jahr waren bei den Anschlägen in Paris drei Polizisten getötet worden. Deshalb ist es den Beamten seit den Attentaten des 13. November erlaubt, auch außerhalb des Dienstes ihre Waffen zu tragen. Außerdem werden sie aufgefordert, ihren Nachhauseweg in Zivil anzutreten. Auch Abballas Opfer trug keine Uniform.

Seine Tat passt zu einem Szenario, das die französischen Sicherheitskräfte fürchten: das eines radikalisierten Einzeltäters. "Er konnte mit relativ einfachen Mitteln sehr schweren Schaden anrichten", sagte Polizeisprecher Jérôme Bonet im französischen Fernsehen. Der IS hatte Dschihadisten, die nicht in Syrien und im Irak kämpfen, ausdrücklich dazu aufgerufen, "einsame Wölfe" zu werden und die "Ungläubigen" zu bekämpfen. "Tötet sie mit Messern, spuckt ihnen ins Gesicht, distanziert euch von ihnen", forderte Salim Benghalem, einer der französischen IS-Anführer, im Februar 2015 in einem Video.

Der Islamismusexperte Mathieu Guidère warnte im Radiosender France Info vor weiteren Attentaten: "Orlando war das Aufbruchssignal zu einer Serie von Anschlägen." Der IS habe vor Beginn des Ramadan seine Anhänger vor allem in drei Ländern zu Angriffen aufgerufen: in den USA, Frankreich und Großbritannien. In Frankreich ist die Angst vor allem rund um die EM besonders groß. Rund 90.000 Polizisten und private Wachleute bewachen das Fußballereignis. In den ersten Monaten des Jahres wurden laut Innenminister Bernard Cazeneuve bereits mehr als 100 Islamisten festgenommen. "Wir sind einer Bedrohung ausgesetzt, die noch lange dauern wird," sagte Cazeneuve.

(RP)
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