Bagdad Regierungschef lässt Panzer in Bagdad rollen

Bagdad · Im Irak wächst der Widerstand gegen Ministerpräsident Nuri al Maliki. Doch der hält mit aller Macht an seinem Amt fest.

Chronologie des Aufstiegs des IS im Irak
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Foto: afp, FC

Während die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) immer mehr Gebiete erobert, versinkt die politische Führung in Bagdad im Chaos. Ministerpräsident Nuri al Maliki hält mit aller Macht an seinem Amt fest. Mit Panzern ließ er wichtige Kontrollpunkte in der Hauptstadt abriegeln. Doch der Widerstand gegen Maliki in der Regierung wächst. Inzwischen hat der irakische Staatspräsident Fuad Masum den stellvertretenden Parlamentspräsidenten Haidar al Abadi mit der Regierungsbildung beauftragt. Damit stellt er sich offen gegen Maliki, der eine dritte Amtszeit für sich beansprucht.

Seit Wochen schon ignoriert der Regierungschef den wachsenden Widerstand gegen ihn. Ihm kommt zugute, dass seine Gegner bislang zu schwach waren, um ihn tatsächlich zu stürzen. Seine Macht stützt Maliki vor allem auf die Sicherheitskräfte. Seit seiner Amtsübernahme 2006 hat er Militär, Geheimdienst und andere Einheiten unter seine Kontrolle gebracht. Dabei umging er mit einem ausgeprägten Machtinstinkt die ursprünglichen Hierarchien und baute parallele Kommandostrukturen auf. Die Befehlsfäden laufen im Amt des Regierungschefs zusammen. Diese Macht spielt Maliki jetzt aus.

Dem noch amtierenden irakischen Premier ist mittlerweile jedes Mittel recht, um in Bagdad an der Macht zu bleiben. Gestern hatte er eine Klage beim Verfassungsgericht gegen Staatspräsident Masum eingereicht - ein vorläufig letzter Schachzug in einem Machtpoker, das den Irak gänzlich an den Rand des Abgrunds bringt. Maliki wirft dem frisch gewählten kurdischen Staatspräsidenten vor, die Verfassung gebrochen zu haben, weil dieser ihm bis jetzt noch nicht den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilt habe. Die irakische Verfassung schreibt vor, dass derjenige, der über die stärkste Fraktion im Parlament verfügt, mit der Regierungsbildung beauftragt werden solle. Dies hätte bis zum 8. August geschehen müssen.

Nach den Ergebnissen der Parlamentswahl vom 30. April hat die "Rechtsstaatskoalition" von Maliki zwar die meisten Stimmen, aber keine regierungsfähige Mehrheit erhalten. Staatspräsident Masum bezweifelt, dass die erforderliche Mehrheit für Maliki im Parlament zustande kommt.

Denn Vertreter aller politischen Fraktionen und Parteien machen Ministerpräsident Maliki für die derzeitige dramatische Lage im Land verantwortlich. Seine autoritäre und rücksichtslose Politik habe ein Machtvakuum ausgelöst, in das die Terrororganisation IS hineingestoßen sei, als sie mit ihrer Blitzinvasion vor zwei Monaten weite Teile des Nordirak und Syriens eroberte und daraufhin einen islamischen Staat ausrief.

Inzwischen hat das höchste Gericht bestätigt, dass die "Rechtsstaatskoalition" Malikis die stärkste Fraktion im Parlament sei. Allerdings ließ die Aussage des Gerichts unterschiedliche Interpretationen zu. Wie ein Sprecher des Gerichts mitteilte, haben die Richter dem Staatspräsidenten empfohlen, den Regierungschef aus dem Block zu nominieren, der die meisten Parlamentssitze hat. Das würde bedeuten, dass auch andere Koalitionsbildungen ohne Maliki möglich wären. Die Definition des "größten Blocks" war auch in der Vergangenheit immer wieder Anstoß zu langwierigen Regierungsbildungen gewesen. Vor vier Jahren hatte es neun Monate gedauert, bis eine Regierung zustande gekommen war.

"Die nationale Schiitenallianz mit 127 Sitzen im Parlament hat offiziell Haidar al Abadi als ihren Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt nominiert", hieß es gestern Abend in einer Erklärung. Zur Wahl des Premiers sind 162 Stimmen nötig. Es ist aber davon auszugehen, dass andere Parteien ebenfalls für Abadi stimmen werden, weil sie Maliki unter allen Umständen loswerden wollen. Malikis "Rechtsstaatskoalition" lehnt Abadis Kandidatur jedoch ab. Seine Nominierung verstoße gegen das Gesetz, sagte die Sprecherin der Partei, Hanan al Fatlawi, in Bagdad. In einer Ansprache im Staatsfernsehen am späten Sonntagabend sprach Maliki von einem "klaren Bruch der Verfassung". Dieses politische Kalkül wirke sich zulasten des irakischen Volkes aus.

Derweil haben die USA dem Staatspräsidenten ihre Unterstützung zugesichert. Sie stünden "absolut felsenfest" hinter Masum, sagte US-Außenminister John Kerry.

(RP)
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