Berlin Intelligenztest für Flüchtlinge

Berlin · In einem Modellversuch mit 600 Freiwilligen will die Politik herausfinden, ob sie mit einem speziell zugeschnittenen IQ-Test Talente unter Migranten schneller entdecken und gezielter fördern kann.

Wegen seines unkonventionellen Umgangs mit Flüchtlingen hat der saarländische CDU-Politiker Klaus Bouillon schon im vergangenen Jahr bundesweite Bekanntheit erlangt, als er mit seinem Ministerbüro kurzfristig in ein Flüchtlingsheim zog, um hautnah die Probleme mitzubekommen. Nun geht er mit einem weiteren ungewöhnlichen Vorhaben voran: "Wir wollen ein Modellprojekt starten, mit dem wir mittels eines Intelligenztests herausfinden, wo die Talente stecken und in welche Berufsgruppen wir die Flüchtlinge direkt eingliedern oder worin wir sie schulen sollten", sagte Bouillon unserer Redaktion.

Bouillon, derzeit auch Chef der deutschen Innenministerkonferenz, rechnet damit, zunächst mit 600 bis 700 Freiwilligen beginnen zu können. "Es ist eine Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und weiteren renommierten Arbeitsmarktexperten geplant", erläuterte der Minister.

Wido Geis, Migrationsexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, nennt Bouillons Modellversuch "spannend". Das aktuelle Problem mit der Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung bestehe vor allem in den fehlenden Informationen über die Qualifikation. Solange diese nicht vorlägen, könne die Politik auch kein Berechnungsgrundlage schaffen. Insofern sei der Test im Saarland vielversprechend. Er sei aber "auch für die Flüchtlinge eine gute Sache", weil sie selbst mehr Klarheit darüber bekämen, welche Wege ihnen offenstünden.

Nach Einschätzung von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wird es Deutschland mit geeigneten Integrations- und Ausbildungsprogrammen gelingen, die meisten Flüchtlinge zu vermitteln - ein Drittel sehr schnell oder mit geringem Aufwand, ein weiteres Drittel erst mit einer längeren Qualifizierung, die sich aber unterm Strich für alle lohnen werde.

Parallel dazu hat das Bundesbildungsministerium einen Test entwickelt, mit dem die Studierfähigkeit ausländischer Studieninteressenten verlässlich festgestellt werden soll. "Flüchtlinge müssen frühzeitig und umfassend beraten werden, damit möglichst rasch die Zulassungsverfahren für deutsche Hochschulen durchlaufen werden können, sofern diese Erfolg versprechen", erläuterte eine Ministeriumssprecherin. Aus diesem Grund würden die Kapazitäten der Arbeits- und Servicestellen für Internationale Studienbewerbungen (Uni-Assist) ausgebaut, und eine Beratungs- und Bewerbungsplattform werde speziell für Flüchtlinge eingerichtet. Dafür plane der Bund, die Kosten zu übernehmen. Weil bereits über 320.000 Ausländer in Deutschland studierten, brächten die Hochschulen bereits eine entsprechende Infrastruktur mit, wenn es darum gehe, auch Studierende mit Flüchtlingsbiografie zu integrieren.

Bouillon räumte ein, dass angesichts der jüngsten Flüchtlingszahlen bei den Erstaufnahmen Überkapazitäten entstanden seien. Er riet jedoch davon ab, die Anstrengungen wieder herunterzufahren. Wer in den Vertrag der EU mit der Türkei hineinschaue, finde darin die Vereinbarung, dass bei einer Entspannung der aktuellen Situation von der EU die Aufnahme von mehr Flüchtlingskontingenten erwartet werde. "Ich denke, dass die Türkei diese Option ziehen wird", sagte der Innenminister. Daneben warteten allein in Libyen mehr als 200.000 Menschen auf eine Überfahrt nach Europa. Somit könnten sich die aktuellen Überkapazitäten sehr schnell wieder ändern. "Die Herausforderung ist noch nicht vorbei", betonte Bouillon.

(RP)
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