Budapest In Ungarn wächst die Protestbewegung

Budapest · Der Druck auf Ungarns Regierungschef Viktor Orbán wächst. Am 16. Dezember ist die nächste Großdemonstration geplant: Sie richtet sich gegen den jüngsten Beschluss der ungarischen Regierung, auch den letzten Rest der privaten Rentenvorsorge zu verstaatlichen, wodurch 650 Millionen Euro in die Staatskasse gespült werden. 97 Prozent der Privatpensionen wurden wegen der angespannten Staatsfinanzen bereits zwangsverstaatlicht. Ob die Einzahler ihr Geld je sehen werden, ist ungewiss.

Die Ironie ist, dass Orbán mit der Idee einer "Internetsteuer" - die er mittlerweile zurücknahm - selbst die wachsende Protestbewegung entzündet hat. Innerhalb weniger Wochen ist eine Vielzahl an Bürgerinitiativen entstanden, die zu einer breiten außerparlamentarischen Opposition zusammenwachsen.

Vergangenen Donnerstagabend waren Tausende Menschen wegen der sich ungehindert verbreitenden Korruption in Budapest auf die Straße gegangen. Die Volkswut entzündet sich vor allem an dem schamlos zur Schau gestellten Reichtum von Orbans Gefolgsleuten: "Wir können nicht so viel Steuern zahlen, wie ihr klaut!", stand auf einem Spruchband in Anspielung zu lesen.

Am meisten verhasst ist Orbans Kanzleramtsminister János Lázár, dessen nebulöse Vermögenszuwächse laufend Schlagzeilen liefern. Neulich hat Lázár seinen zehnjährigen Sohn als "Strohmännchen" eingesetzt: Der Junge besitzt nun eine 200 000 Euro teure Wohnung. Auch Außenminister Péter Szijjártó hatte sich eine protzige Villa angeschafft. Beide Orbán-Getreue können nicht schlüssig erklären, wie sie mit ihrem Ministergehalt ihren Luxus finanzieren. Auch Ildiko Vida, Chefin der Steuer- und Zollbehörde, steht unter Korruptionsverdacht.

Die USA haben schärfer als die EU auf Orbáns autokratischen Regierungsstil reagiert: auf die Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz, der staatlichen Institutionen und der Medienfreiheit, auf die Schikanen gegen regierungsunabhängige Organisationen. Besonders übel nehmen die Amerikaner Orbán die Hinwendung zu Russland. So nannte der republikanische Senator John McCain Orbán einen "neofaschistischen Diktator, der sich mit Wladimir Putin ins Bett legt". Nach tagelangem Schweigen bezeichnete Orbán McCains Aussage als "Angriff auf die nationale Souveränität Ungarns".

McCains Orbán-Beschimpfung gibt der Protestbewegung zusätzlichen Schub, wie in Internetforen nachzulesen ist, auch wenn man die Titulierung für übertrieben hält. "Wenn wir uns organisieren, können wir unser Land zurückerobern", meint Organisator Gabor Vago. Auf die politische Opposition können sie nicht zählen. Mehr Unterstützung erhofft man sich auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Februar Ungarn besucht.

(RP)
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