Budapest In Ungarn formiert sich die Opposition gegen Orban

Budapest · Nationalfeiertage sind in Ungarn stets Anlass für Aufmärsche und politisches Kräftemessen auf der Straße. Doch in den vergangenen zweieinhalb Jahren war von einer Opposition nicht viel zu sehen. Sie war seit der Wahl 2010, bei der die nationalkonservative Partei Fidesz unter Viktor Orban die Zweidrittelmehrheit im Parlament errang, an den Rand gedrängt.

Doch jetzt beginnen sich die Orban-Gegner allmählich zu sammeln: Der 23. Oktober, Gedenktag des anti-sowjetischen Aufstands von 1956, ist zugleich der Geburtstag der ersten außerparlamentarischen Oppositionsbewegung Ungarns. "Együtt 2014" ("Zusammen 2014") heißt das Bündnis, das die Wahl in zwei Jahren gewinnen will.

Die neue Bewegung hat auch ein Gesicht: Als ihr Anführer präsentierte sich, nach längerem Zögern, Gordon Bajnai, 44 Jahre alt, Ex-Premier und Wirtschaftsfachmann. Gründerzellen sind die Facebook-Bürgerinitiative "Milla", die sich vor allem für Medienfreiheit einsetzt, die freie Gewerkschaftsbewegung Szolidaritás, die die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung ansprechen will, und Bajnais Politik-Institut "Heimat und Fortschritt", das bereits an einem Reformprogramm arbeitet und Argumentationshilfen liefert.

In seiner Rede sagte Bajnai, bei "Zusammen 2014" handele es sich nicht um eine neue Partei, sondern um eine Bewegung der "neuen Mitte", der sich auch die übrigen Oppositionsparteien wie Sozialisten, Liberale und Grüne anschließen sollten: "Nur gemeinsam können wir siegen."

Orbans Propaganda versucht, Bajnai als neue Führungsfigur der postkommunistischen Linken zu diskreditieren, weil er einmal einfaches Mitglied der kommunistischen Jugend war und als parteiloser Minister der Regierung des Skandal-Sozialisten Ferenc Gyurcsany angehört hatte, dessen Nachfolger er im April 2009 wurde.

In der EU genießt Bajnai dagegen hohes Ansehen, weil es ihm während seiner 13-monatigen Regierungszeit bis Mai 2010 gelang, mit sachkundiger und ruhiger Reformpolitik Ungarn vor dem endgültigen Staatsbankrott zu bewahren, den die linksliberalen Vorgängerregierungen leichtfertig herbeigeführt hatten. Die Wähler haben es Bajnai dennoch nicht gedankt und entschieden sich für Orban. Jetzt könnte Gordon Bajnai eine neue Chance bekommen.

(RP)
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