Islamabad In Pakistan droht ein "Mini-Staatsstreich"

Islamabad · Ein Populist mobilisiert die Massen, Richter ordnen die Festnahme des Premierministers an.

Das pakistanische Verfassungsgericht hat die Festnahme von Premierminister Raja Pervez Ashraf angeordnet und damit dem "Aufstand der Millionen" gegen die Regierung Auftrieb verliehen. Große Menschenmassen protestieren seit gestern mitten in Pakistans Hauptstadt Islamabad gegen Ashraf und Präsident Asif Ali Zardari. Angeführt werden sie von einem feurigen Islam-Gelehrten, der sich fast über Nacht zum Revolutionshelden der Atommacht aufschwang. Sein Name: Mohammad Tahir-ul Qadri.

Der 61-Jährige hat eine Bewegung "gegen die Plünderer von Islamabad" losgetreten, die die politische Führung stürzen könnte. Jetzt hat Qadri, wohl nicht zufällig, Beistand vom Obersten Gericht bekommen: Die Festnahme von Raja Pervez Ashraf wegen alter Korruptionsfälle destabilisiert die Regierung weiter.

Nur wenige Monate vor den geplanten Neuwahlen im Mai steht das Land damit vor einer Machtprobe: Qadri will nicht ruhen, bis Staatschef Zardari, der auch die Regierungspartei PPP führt, zurücktritt. Die PPP wiederum warf dem Gericht und dem Militär vor, die Regierung stürzen zu wollen.

"Pakistan bebt", titelten Medien im Nachbarland Indien. Gerüchte überschlugen sich, dass Ashraf nach Dubai geflohen sei. Am Morgen war es zu kleineren Krawallen gekommen. Sorgen um die Atombomben des Landes muss sich der Westen kaum machen. Selbst wenn die Regierung stürzt, wird die Atommacht nicht führungslos sein.

Das Ganze dürfte auf einen "Coup light" ("Mini-Staatsstreich") und eine vom Militär gesteuerte Regierung hinauslaufen. So fordert Qadri, dass ein Interimskabinett aus Technokraten eingesetzt wird, an dem auch das Militär beteiligt ist. Es soll den "politischen Saustall" aufräumen, korrupte Politiker ausschließen und erst nach diesen Reformen Neuwahlen ansetzen.

Bei dem geschickt inszenierten Drama führen die Armee, die Justiz und heimlich vielleicht auch die USA Regie – was diese natürlich abstreiten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Militär schon lange die Geduld mit der Zardari-Regierung verloren hat. Und mit Oppositionsführer Nawaz Sharif werden weder das Militär noch die USA warm.

Qadri ist erst im Dezember nach sieben Jahren in Kanada nach Pakistan zurückgekehrt. Kaum im Lande, startete er seine Kampagne. Bis heute bleibt er Antworten schuldig, woher die Mittel dafür stammen. Auffällig ist, dass er Teile seiner Rede auf Englisch hielt.

Qadri vertritt durchaus Ziele, die dem Westen gefallen müssten: Mutig verurteilt er Terrorismus und Extremismus. Das wagt kaum noch ein Politiker in Pakistan, weil es schnell das Leben kosten kann. Bereits seit Jahren kämpft Qadri gegen die Korruption und setzt sich mit seiner Organisation Minhaj ul Quran ("Der Weg des Koran") für Harmonie zwischen den Religionen ein.

(RP)
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