In dubio pro Latino

Die Vorstellung vom Französisch-Lehrer, der an Schule und Uni nie mit Latein in Berührung gekommen ist, der Sprache also, aus der "sein" Französisch hervorging, darf man absurd finden. In NRW könnte genau das bald Wirklichkeit werden, denn die Latinumspflicht für das Lehramt in modernen Fremdsprachen steht zur Disposition. Die Vorhersage, dass sich hier der Daumen senken wird, erfordert keine altrömischen Seherqualitäten.

Natürlich ist es aufwendig, an der Uni das Latinum nachzuholen - aber Vorschläge, wie das ohne Kahlschlag sinnvoll geschehen kann, liegen ja auf dem Tisch. Man kann auch sicher gut Italienisch sprechen, ohne Vergil auswendig gelernt zu haben - aber Bildung (darum geht es schließlich ganz nebenbei auch noch) erschöpft sich nicht in Fachwissen. Hier liegt das tiefere Problem: Die fixe Idee, alles Gelernte müsse direkt verwertbar, am besten noch finanziell profitabel sein, schadet der Bildungspolitik seit Jahren. Horizonterweiternde, aber sperrige Lerngegenstände wie Latein fallen immer häufiger durchs Raster. Das ist kurzsichtig. In dubio pro Latino.

(RP)
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