"Ich werde Allianz für Bildung ins Leben rufen"

Bildungsministerin Annette Schavan über Unterrichtsausfall, Lehrergehälter und die heute beginnende Bildungsmesse Didacta

Wird das Bildungspaket für Hartz-IV-Empfänger gezielt Hilfe für bedürftige Kinder bringen?

Schavan Ich freue mich, dass wir eine Einigung gefunden haben. Das Prinzip Sachleistung statt Geldleistung ist richtig. Wir werden den Kindern mehr Bildungsteilhabe ermöglichen. Es ist ein Armutszeugnis für die rot-grüne Bundesregierung von damals, dass sie das schlicht ignoriert hat. Für die Umsetzung ist es gut, dass Schulen und Kommunen einbezogen werden. Die Schule weiß am ehesten, wo Hilfe notwendig ist.

Was ist aus den lokalen Bildungsbündnissen geworden, die Sie beworben haben?

Schavan Die unterstützen die Grundidee: Wir wollen lokale Bildungsbündnisse überall in Deutschland. Bei der heute beginnenden größten Bildungsmesse Europas, der Didacta, werde ich die Allianz für Bildung ins Leben rufen. Es geht darum, die gesamte Gesellschaft zu gewinnen. Das afrikanische Sprichwort, dass für die Erziehung eines Kindes ein ganzes Dorf zuständig ist, lässt sich doch übertragen. Für die Bildung eines Kindes ist eine ganze Stadt notwendig mit ihren Schulen, Verbänden und Vereinen, Stiftungen, Bibliotheken und Musikschulen. Wir brauchen noch mehr Mobilisierung, damit die Kinder wirklich die Angebote wahrnehmen können, die es gibt. Das gilt für alle Kinder, nicht nur für die aus Familien von Langzeitarbeitslosen.

Wie lässt sich der Lehrerberuf attraktiver machen?

Schavan Am Ansehen der Pädagogen entscheidet sich die Qualität der Schule. In den skandinavischen Ländern ist die Autorität der Lehrer hoch. Bei uns wird damit fahrlässig umgegangen. Seitens der Politik können wir die Aus- und Weiterbildung der Lehrer verbessern. Da unternehmen die Länder konkrete Schritte. Das ist aber Schall und Rauch, wenn eine Gesellschaft nicht begreift, dass nur dann die Besten eines Jahrgangs Lehrer werden, wenn sie vom ersten Tag in der Schule an vernünftig behandelt werden.

Können flexible Lehrer-Gehälter mit einem Zulagen-System für besonders gute Pädagogen den Beruf attraktiver machen?

Schavan Bei den Lehrergehältern liegt Deutschland im internationalen Vergleich gut. Dennoch können Leistungszulagen für Lehrer die Attraktivität des Lehrerberufs heben. Das Ziel muss sein, interessante junge Leute für den Lehrerberuf zu gewinnen. Leistungszulagen sind attraktiv, wenn die Pädagogen wissen, dass damit besondere Bemühungen auch finanziell gewürdigt werden.

Der Unterrichtsausfall ist für Eltern das Ärger-Thema Nummer eins. Müssen die Länder Notfallpläne aufstellen, um den Ausfall abzufedern?

Schavan Wir brauchen pragmatische Lösungen gegen Unterrichtsausfall. Die Länder schaffen Pools von Lehrern, die einige Zeit bereit sind, solche Springer-Dienste zu tun. Denen sollte man aber in Aussicht stellen, in absehbarer Zeit eine feste Anstellung zu bekommen. Die Eltern brauchen die Verlässlichkeit, dass die Schulen unbürokratisch für Vertretung sorgen können. Es wird aber immer auch Situationen geben, in denen man morgens nicht einfach einen Lehrer aus dem Schrank holen kann.

War es richtig, dass die Kanzlerin die Frauenquote abgeräumt hat?

Schavan (lacht) Die Bundeskanzlerin steht außer Zweifel, mehr Frauen in Führungspositionen zu wollen. Die Debatte über den Weg ist am ehesten erfolgreich, wenn sich die Frauen gemeinsam auf den Weg machen. Daran müssen wir arbeiten.

Wie stehen Sie zu dem Stufenmodell der Unions-Frauen für eine Quote?

Schavan Das finde ich gut, weil es ein klares und zugleich zumutbares Signal an die Unternehmen setzt, dass mehr Dynamik notwendig ist.

Michael Bröcker, Birgit Marschall und Eva Quadbeck führten das Interview.

(RP)
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