"Ich stehe zu dem Blödsinn"

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nutzte einen Auftritt in einer Unions-Hochburg, um den Verzicht auf seinen Doktor-Titel bekanntzugeben. Er betonte, er habe die Doktor-Arbeit selbst geschrieben und die Fehler nicht bewusst gemacht.

Kelkheim/Berlin Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte sich für seinen Befreiungsschlag gestern Abend ein Heimspiel ausgesucht – das Valentinstreffen der CDU in der Stadthalle Kelkheim. In der kleinen konservativ-bürgerlichen Taunus-Gemeinde nördlich von Frankfurt am Main traf er auf überzeugte Unionsanhänger. Der erste öffentliche Auftritt des CSU-Stars nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe sorgte für reichlich Rummel in der Gemeinde. "Man könnte meinen, die Bundeskanzlerin kommt und spricht zur Lage der Nation", sagte ein Christdemokrat. 900 Besucher fanden letztlich Platz in der Halle – und staunten: Der Verteidigungsminister ließ beim Einmarsch in die Halle einen Titel seiner Lieblingsband AC/DC spielen: "Hell's Bells".

Der Hard-Rock-Titel peitschte auf: Guttenberg wurde umjubelt wie ein Box-Star auf dem Weg zum Ring, und er gab sich genauso kämpferisch – sogar in dem Moment, in dem er erklärte, seinen Doktortitel endgültig nicht mehr zu führen. Dazu habe ihn ein eingehender Blick in seine Doktorarbeit bewogen. Die Entscheidung sei ihm schwer gefallen. "Ich bin ein Mensch mit Schwächen und Fehlern, und zu diesen Fehlern stehe ich." Die Fehler habe er nicht bewusst gemacht.

Am Freitag noch hatte er angekündigt, den Titel vorübergehend nicht mehr zu führen, bis die Universität Bayreuth die Plagiatsvorwürfe geprüft habe. Diese Einschränkung machte er gestern Abend nicht mehr. "Die Entscheidung, den Doktortitel nicht zu führen, schmerzt", sagte er. Nach Informationen der ARD hat die Universität Bayreuth bestätigt, dass Guttenberg sie darum gebeten habe, seinen Doktortitel dauerhaft zurückzunehmen. Der Minister begründete dies mit den gravierenden, handwerklichen Fehler in seiner Dissertation.

Guttenberg entschuldigte sich bei jenen, die er mit seiner Arbeit verletzt habe. Er wolle mit seiner Entscheidung auch dazu beitragen, dass sein ehemaliger Doktorvater und seine frühere Universität keinen Schaden nähmen. Er wies erneut die Vermutung zurück, die Arbeit nicht selbst geschrieben zu haben. "Ich habe diese Arbeit selbst geschrieben. Ich stehe dazu, aber ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich geschrieben habe."

Guttenberg gab sich im Übrigen, als könne ihm der Wirbel der vergangenen Tage nichts anhaben. "Viele haben gezweifelt: Kommt er oder sagt er ab?", ruft Guttenberg in den Saal. "So weit kommt es noch, dass ich mich drücke." Vor einigen Tagen wirkte er da durchaus dünnhäutiger. In Kelkheim aber klingt seine Stimme hart. Er lasse sich nicht aus der Ruhe bringen. "Hier steht das Original und kein Plagiat." Und er stellte klar: An Rücktritt denkt er nicht.

In der Koalition hatten sich vor dem Auftritt in Kelkheim die Reihen hinter dem 39-Jährigen geschlossen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete ungewohnt deutlich ihre Solidarität. "Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern hier geht es um die Arbeit als Verteidigungsminister", sagte Merkel und stellte sich gegen Rücktrittsforderungen. Die Arbeit erfülle Guttenberg hervorragend, "und das ist das, was für mich zählt", sagte sie. Die offensive Unterstützung wurde in Berlin mit Erstaunen aufgenommen. Damit würde Merkel bei einem Rücktritt Guttenbergs selbst massiv beschädigt. Auch CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, dass Guttenberg die "uneingeschränkte Solidarität" der CSU genieße.

Seehofer dementierte, dass sein Parteifreund ihm in einem Gespräch am Wochenende seinen Rücktritt angeboten habe. Diese Deutung sei "falsch". Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hatte Seehofer gesagt, dass er "rechtzeitig" mit Guttenberg geredet habe. Diesen Satz interpretierten Beobachter in Berlin so, dass es eine Rücktrittsdrohung des Verteidigungsministers gegeben habe. "Wir stehen und wir bleiben stehen", sagte Seehofer nun.

Seehofer erwägt offenbar, die für nächsten Montag terminierte Vorstellung einer Guttenberg-Biografie von zwei "FAZ"-Autoren ausfallen zu lassen. Der Verlag hatte Seehofer als Laudator gewonnen. Das Verhältnis zwischen Seehofer und Guttenberg gilt als schwierig. Zu Jahresbeginn galt der bayerische Ministerpräsident als mögliches Opfer einer innerparteilichen Revolte, die Guttenberg zum CSU-Vorsitzenden machen könnte.

Im Internet haben Nutzer inzwischen 271 mutmaßliche Plagiate entdeckt, der "Spiegel" hat 61 angeblich kopierte Textstellen ausfindig gemacht, die ohne Quellenangabe übernommen wurden. Als erstes Mitglied der Koalitionsparteien forderte der schleswig-holsteinische FDP-Chef Wolfgang Kubicki Merkel auf, ihren Verteidigungsminister zu entlassen.

Die Opposition aus SPD und Grüne versucht nun, die Affäre in den Bundestag zu bringen. Für Donnerstag ist eine Aktuelle Stunde angemeldet, in der Guttenberg befragt werden soll. Union und FDP lehnen das ab, können es aber laut der Geschäftsordnung des Bundestagsaber nicht verhindern.

Internet Wie Internet-Nutzer über Guttenberg spotten – ein Netz-Report unter www.rp-online.de/digitale

(RP)
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