Olaf Scholz "Ich bin liberal, aber nicht doof"

Der SPD-Vize Olaf Scholz befürwortet beim Thema innere Sicherheit eine ausreichende Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Außerdem spricht er sich für den zügigen Neubau von bezahlbaren Wohnungen aus.

Herr Scholz, Sie sagen: "Der Trend zur Stadt hat den ganzen Globus erfasst." Was sagen Sie zu den Risiken und Nebenwirkungen — zum Beispiel bei der inneren Sicherheit?

Scholz Das Leben in der Stadt ist hochattraktiv. In wachsenden Metropolen wie etwa Hamburg zu leben, zieht viele an, Junge wie Ältere. Sicherheit ist in Großstädten wichtig. Das gehört zu ihrer Attraktivität. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen sich zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher bewegen können.

Die miserable Aufklärungsquote in vielen Großstädten, zum Beispiel 7,2 Prozent bei den Wohnungseinbrüchen in Hamburg, spricht nicht für viel innere Sicherheit, oder?

Scholz Ich war schon 2001 als Innensenator und bin auch jetzt als Bürgermeister in Hamburg für ausreichend Polizeipräsenz auf Straßen und Plätzen. Wir haben rund 7700 Stellen für Polizistinnen und Polizisten im Vollzugsdienst in unserer Stadt, was bei rund 1,75 Millionen Einwohnern ganz ordentlich ist. Damit das so bleibt, ist der Vollzugsdienst der Polizei trotz des aktuellen Konsolidierungskurses von Personaleinsparungen ausgenommen, genauso wie es übrigens auch bei den Männern und Frauen der Hamburger Feuerwehr der Fall ist.

Otto Schily hat auf einem Bundesparteitag der SPD, bei dem Sie auch dabei waren, den Satz gesagt: "Law and Order sind sozialdemokratische Werte." Würden Sie das auch so sagen?

Scholz Wenn es einen Satz von mir gibt, der an dieser Stelle öfters wiederholt wird und der auch besser zu mir passt, ist es wohl eher: Ich bin liberal, aber nicht doof.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, meinte neulich im "Spiegel", es gebe Zonen in unseren Städten, in denen sich die Bürgerinnen und Bürger zu Recht nicht mehr sicher fühlen könnten. Übertreibt denn der Gewerkschafter?

Scholz Ja. So eine Aussage empfinde ich — bezogen auf deutsche Großstädte — als übertrieben.

Braucht man wie in London auch in deutschen Großstädten mehr öffentliche Videoüberwachung?

Scholz Das gibt es bei uns an vielen Stellen, das ist auch gut so. Wir haben das auf Bahnhöfen, in U- und S-Bahnen ausgebaut — unser Beitrag zur besseren Aufklärung von Straftaten. Außerdem haben wir mit der Polizei die Wachdienste bei S- und U-Bahnen ausgebaut.

Befürworten Sie ein Verbot nach amerikanischem Vorbild, öffentlich Alkohol zu konsumieren?

Scholz Nein.

Wo sind Sie großstädtisch liberal?

Scholz Beispielsweise mit unserer Einbürgerungskampagne. Wir setzen uns dafür ein, dass diejenigen, die bei uns aufgewachsen sind, acht Jahre hier leben und die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können, das auch tun. Ich schreibe 137 000 Hamburgerinnen und Hamburger an und bitte sie, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wir feiern im schönsten Saal unseres Rathauses berührende Einbürgerungsfeiern mit den ganzen Familien. Wir haben im Stadtstaat die höchste Einbürgerungsquote aller Länder in Deutschland.

Attraktive Großstädte sind sehr teuer für Normalverdiener, die dort wohnen möchten. Was tun Sie?

Scholz Wohnungen bauen. Als ich 2011 Bürgermeister von Hamburg wurde, fehlten geschätzte 30 000 bis 40 000 Wohnungen. Der Wohnungsbau ist eines der Probleme in unseren Metropolen, die wir dringend lösen müssen. Wir haben innerhalb von drei Jahren 25 000 Baugenehmigungen erteilt. Ende des Jahres werden es wohl mehr als 30 000 sein. Wir stellen sicher, dass bei allen großen Neubauvorhaben ein Drittel geförderter Wohnungsbau entsteht. Auffallend und gewollt ist, dass die Sozialwohnungen über die gesamte Stadt verteilt sind. Unser Ziel muss sein, dass sich jeder unabhängig von seinem Einkommen auch in attraktiven Stadtquartieren eine gute Wohnung leisten kann.

Sagen Sie: "Kommt in die Stadt"? Oder ist irgendwann das Boot voll?

Scholz Wir freuen uns über den Zuzug und darüber, dass die Zahl junger Leute nicht zurückgeht. Bei uns sinken nicht wie anderswo die Schülerzahlen. Damit Hamburg eine Ankunftsstadt bleibt, tun wir viel. Wir sparen nicht bei der Zahl der Lehrer, haben kleinere Klassen eingeführt, reden nicht nur darüber, sondern stellen wirklich eine schulische Ganztagsbetreuung sicher, haben ein flächendeckendes Kita- und Krippenangebot, das zudem ab dem 1. August fünfstündig gebührenfrei wird. Und wir haben die Jugendberufsagentur gegründet, wo unter einem Dach Arbeitsagenturen, Jobcenter, Berufsschulen zusammenarbeiten, um junge Leute beim Einstieg in eine berufliche Qualifizierung zu unterstützen.

Düsseldorf ist neuverschuldungsfrei. Und Hamburg?

Scholz Wir wollen spätestens 2019 einen ausgeglichenen Haushalt. Wir haben es alle miteinander in der Vergangenheit bei den Schulden zu toll getrieben. Da müssen wir raus.

REINHOLD MICHELS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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