Interview: Carsten Jacobson "Ich bin froh, dass ich in Afghanistan bleiben kann"

Kabul Nach Ende des Nato-Kampfeinsatzes bleiben 2015 noch bis zu 850 deutsche Soldaten als Ausbilder in Afghanistan. Das Bundeskabinett beschloss gestern die Teilnahme an der Nachfolgemission. Der deutsche Generalleutnant Carsten Jacobson (59), Vize-Chef der internationalen Schutztruppe Isaf, widerspricht den Hiobsbotschaften vom Hindukusch.

Kabul Nach Ende des Nato-Kampfeinsatzes bleiben 2015 noch bis zu 850 deutsche Soldaten als Ausbilder in Afghanistan. Das Bundeskabinett beschloss gestern die Teilnahme an der Nachfolgemission. Der deutsche Generalleutnant Carsten Jacobson (59), Vize-Chef der internationalen Schutztruppe Isaf, widerspricht den Hiobsbotschaften vom Hindukusch.

Im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit endet die Mission ganz - wird das ein "vergessener Einsatz"?

Jacobson Es mag sich für den Außenstehenden seltsam anhören - aber ich bin froh, dass ich Afghanistan nicht im Dezember verlassen muss. Es gibt viel zu tun.

Es klingt aber doch so, als falle das Land schnell wieder in die Hände der radikal-islamischen Taliban, wenn sich die Nato zurückzieht.

Jacobson Die Nato zieht sich überhaupt nicht zurück. Wir übernehmen lediglich einen seit 2010 geplanten neuen Unterstützungsauftrag. Er konzentriert sich auf Führungskräfte und Durchhaltefähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte und ist gestützt auf den Wunsch der neuen Regierung in Kabul. Und die Taliban haben gar nichts gewonnen - sie haben ihre Ziele nicht erreicht, und zwar in dem Jahr, in dem die Chance dazu vermutlich am größten war.

Sehen Sie das nicht etwas zu positiv?

Jacobson Nein, keineswegs. Die Schwarzmaler kommen nicht richtig weiter. Es gibt hier keine Hunderten von Toten, keine Geköpften, keine IS-Flaggen in diesem Land, das fremde, nicht eingeladene Kämpfer sowieso nicht mag. Stattdessen geht die Gewalt kontinuierlich zurück. Und auch wenn wir im Einsatz sind und eigentlich täglich irgendwo in Afghanistan irgendetwas Trauriges passiert - es gibt tatsächlich Grund zum Optimismus nach dem langen politischen Ringen, wer denn nun der neue Präsident wird.

Trotzdem bleibt es doch gefährlich - zum Beispiel durch "Innentäter", afghanische Soldaten oder Polizisten, die Nato-Soldaten angreifen. Sogar ein US-General, Harold Greene, ist hinterrücks erschossen worden.

Jacobson Ich habe in meinem Leben schon oft Gefallene verabschiedet. Es trifft einen jedes Mal, wenn ein in Nationalflaggen gehüllter Sarg in ein Flugzeug getragen wird. Und ich habe oft bei den Verwandten gestanden, als gefallene Kameraden aus Kundus und Baghlan heimkehrten. Ich hatte Mütter, Ehefrauen und Brüder in meinen Armen. Leise Worte des Trostes, kein einziges Mal trommelnde Fäuste an meiner Brust. Harry aber war ein Freund, und das macht es noch etwas schwieriger. Nachdem ich die Verwundeten des Attentats besucht hatte, war da der persönliche Abschied am Sarg in diesem Flugzeug. Man steht in der großen Menge und ist doch ganz allein.

Macht Ihnen das Angst?

Jacobson Natürlich macht das Angst. Aber wenn man mutig sein will, braucht man die Angst.

Den vollen Wortlaut lesen Sie unter: www.rp- online.de/politik

(RP)
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