"Ich bin bereit zu führen"

Der designierte FDP-Vorsitzende und künftige Wirtschaftsminister Philipp Rösler (38) über den personellen Umbruch in seiner Partei, seine persönlichen Schwerpunkte als Wirtschaftsminister und warum auch ein Vizekanzler den Müll rausbringen muss.

Kabinett umgebildet, einen neuen Fraktionschef durchgesetzt. Sind Sie etwa doch ein harter Hund?

Rösler Ich habe eine Entscheidung für ein Gesamtkonzept getroffen und sie durchgesetzt. Das ist das Prinzip der Führung. Ich bewerbe mich um das Amt des Parteivorsitzenden. Ich bin bereit und in der Lage zu führen. Das ist im Interesse der Partei.

Muss ein Politiker den Killerinstinkt haben?

Rösler Man muss eine klare Vorstellung haben und eine Idee, wie man sie durchsetzt. Dass das funktionieren kann, habe ich gezeigt.

Wie lange hält das Trio Daniel Bahr, Christian Lindner und Rösler?

Rösler Ich lege großen Wert darauf, dass wir ein Führungsteam sind, zu dem auch andere Persönlichkeiten gehören: das künftige Präsidium, die Kabinettsmitglieder, der Fraktionsvorsitzende.

Wann war Ihnen klar, dass Birgit Homburger gehen muss?

Rösler Ich habe die internen und öffentlich ausgetragenen Diskussionen über die Führung der Bundestagsfraktion verfolgt. Irgendwann musste ich handeln.

Was qualifiziert Rainer Brüderle für den Fraktionsvorsitz?

Rösler Er hat eine enorme Erfahrung und mehr Koalitionen erlebt als die meisten von uns. Es gibt eine Unsicherheit in Partei und Fraktion angesichts der letzten Umfragen. Ein Mann wie Rainer Brüderle kann die Fraktion in schwierigen Zeiten stabilisieren. Weil wir in Regierungsverantwortung sind und Beschlüsse durchsetzen müssen, ist Brüderle genau der richtige Mann. Als ich in Niedersachsen Fraktionschef wurde, hatten wir die Aufteilung: Dynamik in der Fraktion und Erfahrung in der Regierung. Jetzt ist es umgekehrt: eine Verjüngung im Kabinett und ein erfahrener Mann an der Fraktionsspitze. Wichtig ist die gute Mischung.

Lust auf einen Wechsel hatte Rainer Brüderle aber nicht wirklich.

Rösler Ich weiß, dass ihm das nicht leicht gefallen ist, weil das Wirtschaftsministerium sein Traumamt war und er sich mit seiner Kompetenz enorme Anerkennung erworben hat. Ich habe aber ein Gesamtkonzept im Sinne der Partei entwickelt und ihn gebeten, an die Fraktionsspitze zu wechseln. Ich denke, dass diese Lösung die beste im gemeinsamen Interesse der FDP ist.

Warum wollen Sie unbedingt Wirtschaftsminister werden?

Rösler Ich habe das schon einmal in Niedersachsen mit Herzblut gemacht. Die Zukunft des Landes wird durch Wachstum und Wohlstand entschieden. Wie heißt es so schön: Die Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne die Wirtschaft ist alles nichts. Auch die sozialen Systeme, die ich in meinem Ressort kennengelernt habe, hängen von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.

Sehen Sie sich als Ordnungspolitiker?

Rösler Ich werde die Politik von Rainer Brüderle fortsetzen. Die FDP muss die Stimme der Vernunft in der Regierung sein und in vielen Fällen ein ordnungspolitisches Korrektiv. Auf diese Herausforderung freue ich mich.

Geht Ihnen die Energiewende der Kanzlerin zu schnell?

Rösler Der Ausstieg aus der Kernenergie muss mit Augenmaß umgesetzt werden und realistisch sein. Drei Kriterien gehören für mich untrennbar zusammen. Sicherheitsstandards, Versorgungssicherheit und die Energiepreise. Da muss es eine Balance geben. Es wird aus aktuellem Anlass natürlich viel über Sicherheit und Versorgungssicherheit gesprochen. Viele verschweigen aber, dass es für die Verbraucher teurer wird, je schneller wir aussteigen. Die FDP wird die Partei der Vernunft in der Energiepolitik sein. Gerade als Wirtschaftsminister werde ich darauf achten, dass die Energiewende bezahlbar bleibt.

Ist der Atomausstieg in einem Jahrzehnt realistisch?

Rösler Wir müssen an alle Kriterien denken. Wir werden das auf dem Parteitag verantwortungsvoll beraten. Wir müssen ehrlich mit den Bürgern sein und daher zunächst die verschiedenen Szenarien prüfen. Erst dann können wir ein Ausstiegsdatum nennen.

Sie betonen in Ihren Reden oft die Solidarität. Wie sieht soziale Wirtschaftspolitik aus?

Rösler Ich stehe für die Soziale Marktwirtschaft. Ich habe immer die Position vertreten, dass die Soziale Marktwirtschaft mehr ist als Ordnungspolitik, nämlich ein Wertegerüst. Unsere Aufgabe wird es immer sein, das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft im politischen Alltag zu verteidigen.

Eine Mischung aus Walter Eucken und katholischer Soziallehre?

Rösler Liberale sind dann doch bei Eucken, auch wenn ich Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken bin. Aber wie gesagt: Liberale Ordnungspolitik ist ein Wertesystem. Die Stärke der Sozialen Marktwirtschaft ist ja, dass ein Marktmechanismus nur in gewissen staatlichen Rahmenbedingungen funktionieren kann.

Ist der Mindestlohn kompatibel mit der Sozialen Marktwirtschaft?

Rösler Ich habe mich bei der Pflege für einen Mindestlohn ausgesprochen, dabei immer darauf hingewiesen, dass der Mindestlohn nicht in jedem Fall das vorhandene Problem einer schlechten Bezahlung optimal lösen kann. Wir Liberale entscheiden das einzeln. Einen generellen Mindestlohn wird es mit der FDP nicht geben.

Die Umfragen sind miserabel. Wie wollen Sie der FDP neue Glaubwürdigkeit verschaffen?

Rösler Indem wir erkennen, dass Glaubwürdigkeit nicht hergestellt werden kann, wenn man alte Positionen ständig wiederholt, nur vielleicht etwas lauter. Die Verlässlichkeit, die Berechenbarkeit und Entschlossenheit in der Sache, das bringt die FDP wieder auf Kurs.

Vertrauen Sie der Kanzlerin?

Rösler Wir haben ein Vertrauensverhältnis. Wenn ich ihr Wort habe, kann ich mich darauf verlassen. Das gilt auch umgekehrt. Darüberhinaus sind wir allerdings Vorsitzende unterschiedlicher Parteien. Da wird es gelegentlich Differenzen geben.

Was sagt Ihre Frau zum neuen Fulltime-Job?

Rösler Wir haben lange darüber diskutiert, und ohne die Unterstützung meiner Frau hätte ich es nicht gemacht. Aber es ist eine große Ehre, den Vorsitz der FDP zu übernehmen. Meine Frau hat mich in der Entscheidung bestärkt, es zu tun. Sie ist übrigens noch länger in der FDP engagiert als ich.

Wie erklären Sie Ihren dreijährigen Zwillingen, was Sie machen?

Rösler Die drei wichtigen Wörter können sie schon: Papa, Berlin, Arbeit.

Sie sind bald Vizekanzler. Muss ihre Frau Sie gelegentlich zu Hause auf den Boden zurückholen, damit Sie nicht abheben?

Rösler Es ist ja nicht so, dass ich nach Hause komme und Vizekanzler bin. Ich bekomme die Kinder in die Hand gedrückt, und dann geht es im Haushalt los. Es wäre eher so, dass meine Frau dann sagt: Dann bring jetzt mal den Müll raus, Vizekanzler. Und räum' die Spülmaschine aus. Zu Hause bin ich Ehemann und Papa, kein Politiker. Die Gefahr des Abhebens besteht nicht.

Was machen Sie, wenn Sie wie angekündigt mit 45 Jahren aus der Politik aussteigen?

Rösler Also jetzt will ich erst mal anfangen. Aber ich könnte mir für später schon vorstellen, dass ich für eine politische Stiftung arbeite.

Haben Sie ein bisschen Bammel, was da alles jetzt auf Sie zukommt?

Rösler Ich würde es aber eher Respekt nennen.

(RP)
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