Caracas Hugo Chávez zu krank für Vereidigung

Caracas · Die für heute geplante Amtseinführung des im Oktober für sechs Jahre wiedergewählten Präsidenten Venezuelas kann nicht stattfinden. Die für diesen Fall gesetzlich vorgesehene Neuwahl soll es trotzdem nicht geben.

Es ist still geworden um Hugo Chávez. Seit vier Wochen gibt es vom Präsidenten Venezuelas kein sichtbares Lebenszeichen mehr. Am 11. Dezember wurde der Sozialist in einem Krankenhaus in der kubanischen Hauptstadt Havanna wegen seiner Krebserkrankung operiert, seitdem ist der 58 Jahre alte Ex-Oberst nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Noch im Wahlkampf hatte der selbst ernannte "Führer des Sozialismus des 21. Jahrhunderts" beteuert, der Krebs sei besiegt und er selbst vollständig geheilt. Doch keine drei Monate später entpuppt sich die von den linientreuen staatlichen Medien auf Schritt und Tritt begleitete und ganz auf Emotionen setzende Polit-Seifenoper von der wundersamen Heilung als ein Wahlkampfmärchen, das seine Anhänger und auch der engste Führungszirkel der regierenden Sozialisten wohl nur selbst allzu gerne geglaubt hätten.

Der für heute vorgesehenen Vereidigung kann der erst im Oktober für sechs weitere Jahre wiedergewählte Präsident nicht beiwohnen, damit müssten in dem südamerikanischen Land eigentlich Neuwahlen stattfinden. Doch in Venezuela haben sich die regierenden Sozialisten längst ihre eigene Demokratie geschaffen. Vize-Präsident Nicolás Maduro, von Chávez vor seiner Operation öffentlich als Wunschnachfolger auserkoren, verkündete kurzerhand die Verschiebung der Vereidigung. Verfassungsrechtlich ist das höchst umstritten. Die hilflose Opposition tobt, die katholische Kirche verurteilt das Vorgehen als "moralisch nicht akzeptabel". Das Parlament billigt den politischen Taschenspielertrick. Dort haben die Sozialisten die absolute Mehrheit, nachdem sie das Wahlrecht jüngst zu ihren Gunsten änderten.

Bei der Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter vor wenigen Tagen bekamen die Venezolaner schon einmal einen Vorgeschmack auf das, was ihnen ohne den politischen Überzeugungstäter Chávez bevorsteht. Nicht einmal einen der Posten eines Vizepräsidenten gestanden die Sozialisten der Opposition zu, wie in funktionierenden Demokratien üblich. Stattdessen buhten Chávez-Anhänger auf der Zuschauertribüne die Redner der Opposition nieder.

Es ist die Stunde der Männer, die bislang im Schatten von Chávez standen. Neuer starker Mann Venezuelas ist erst einmal Parlamentspräsident Diosdado Cabello. Dem langjährigen Weggefährten des Präsidenten werden dunkle Geschäfte nachgesagt. Millionen soll Cabello im ölreichsten Staat der Welt unterschlagen haben, sogar aus dem eigenen Lager gab es juristische Klagen gegen den Ex-Militär, doch in der von den Sozialisten kontrollierten Justiz versandete das Thema schnell. Cabello steht für den Flügel der Sozialisten, die rücksichtslos Kasse gemacht haben in der nun 13 Jahre dauernden Ära Chávez. Sein interner Gegenspieler ist Nicolás Maduro, ein politischer Aufsteiger, dessen Loyalität ihn vom Busfahrer, Gewerkschaftsfunktionär und Außenminister zum Vize-Präsidenten machte. Die Opposition vermutet hinter den Verfassungstricks der Sozialisten einen internen Machtkampf. Maduro, so glauben sie, will verhindern, dass Cabello als Übergangspräsident die Zügel der Macht in die Hände bekommt. Eine Verschiebung der Vereidigung auf unbestimmte Zeit sorgt für einen Patt zwischen den beiden. Venezuelas Politik bleibt deshalb auf unbestimmte Zeit ein verfassungsrechtlicher Drahtseilakt, bis Hugo Chávez eines Tages vom Krankenbett zurückkehrt.

(RP)
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