Paris Hollande 100 Tage an der Macht

Paris · Es war eine turbulente Amtseinführung, als François Hollande am 15. Mai bei Sturmböen im offenen Wagen die Champs-Elysées entlangfuhr und abends im Flugzeug nach Berlin einen Blitzeinschlag überstand. 100 Tage ist das morgen her. Seither ist es in der französischen Politik ruhiger geworden. Hollande grenze sich von der "sarkozystischen Hysterie" ab, meint das Wirtschaftsblatt "Les Echos" mit einem Seitenhieb auf Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy.

Der 58-jährige Sozialdemokrat ist wie Tausende von Mitbürgern mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV aus dem Urlaub an der Côte d'Azur zurückgekehrt – braungebrannt und an der Seite seiner Lebenspartnerin Valérie Trierweiler, die im Juni mit einer Eifersuchtsszene per Internet den einzigen politischen Fauxpas gemacht hatte. Hollande selbst machte im Elysée bisher keinen Schnitzer. Allerdings ging er auch kaum Risiken ein.

Gegenüber Syrien betreibt er Mainstream-Diplomatie, was ihm eine kritische Wortmeldung Sarkozys einbrockte; in der Europapolitik rückt er etwas von Berlin ab und schlägt sich öfter als sein Vorgänger auf die Seite Roms, Madrids und Athens; seine Einstandsforderung nach Neuverhandlung des EU-Fiskalpaktes für mehr Haushaltsdisziplin verwässerte er aber mit Rücksicht auf Kanzlerin Angela Merkel. Innenpolitisch begann Hollande mit Wohlfühlmaßnahmen wie der 30-prozentigen Senkung der Ministersaläre – und seines eigenen.

Die Opposition kritisiert vor allem Hollandes Wirtschaftspolitik, genauer gesagt die Steuererhöhungen für Wohlhabende, Erben, Banken und Großkonzerne. Laurent Wauquiez von der Sarkozy-Partei UMP wirft dem Präsidenten schon vor, er setze den "fiskalischen Schlagstock" gegen die Mittelklasse ein.

In einer Umfrage meinten in dieser Woche 61 Prozent der Franzosen, Hollande sollte seinen "Reformrhythmus beschleunigen". Der Minister für produktiven Aufschwung, Arnaud Montebourg, verteidigte sich darauf: "Man stellt ein Land wie Frankreich nicht in 100 Tagen wieder auf die Beine."

Hollande lässt allerdings auch langfristig kaum Ansätze einer effektiven Strukturpolitik erkennen. Wie Sarkozy mangelt es ihm am politischen Mut, gegen die drei Übel der französischen Wirtschaft effizient vorzugehen – die Arbeitslosigkeit von fast zehn Prozent, die rapide sinkende Wettbewerbsfähigkeit sowie die Staatsschuld von 1700 Millliarden Euro. Hollande beteuert weiterhin, er werde das Haushaltdefizit 2013 auf drei Prozent drücken. Das würde aber drakonische Einsparungen von 30 Milliarden Euro erfordern. Zumal in Rezessionszeiten scheint das für eine Linksregierung politisch unerreichbar.

(RP)
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