Mitch McConnell und Harry Reid: Hoffnung im Streit um US-Schuldengrenze

New · Während sich im Senat Demokraten und Republikaner auf einen Kompromiss im Haushaltsstreit verständigt haben, legen sich in der zweiten Parlamentskammer die Ultrakonservativen unter den Republikanern quer.

York Nun treten die Hinterbänkler ins Scheinwerferlicht, Kongressneulinge wie Tim Huelskamp, ein Abgeordneter aus Kansas, der auf der Tea-Party-Protestwelle des Herbstes 2010 ins Parlament surfte. Nachdem sich Demokraten und Republikaner im Senat auf ein Paket zur Anhebung der Schuldengrenze geeinigt haben, hängt jetzt alles am unberechenbaren Repräsentantenhaus. Falls es dort vor dem drohenden Staatsbankrott zur Abstimmung kommt, könnten sich moderate Konservative mit den Demokraten verbünden und damit klare Mehrheiten sichern.

Die Kurzzeitallianz würde Turbulenzen an den Finanzmärkten ebenso abwenden wie die demütigende Blamage für "America Incorporated", ein Land, das sich noch immer als Mekka des Business, als Ordnungsmacht und Stützpfeiler der Weltwirtschaft versteht. Nur möchte keiner in Washington darauf wetten, dass die Rechnung aufgeht.

Es liegt an eigensinnigen Rebellen wie Tim Huelskamp. "Im Repräsentantenhaus haben wir einen Namen dafür, wir nennen sie die Kapitulationsfraktion", schimpft er auf seine Parteifreunde im Senat, die einen Ausgleich besiegelten. Jeder Republikaner, der im House of Representatives für den faulen Kompromiss stimme, "dem garantiere ich, dass er bei den nächsten Primaries herausgefordert wird".

Die nächsten Primaries, die Serie parteiinterner Vorwahlen vor dem Kongressvotum im November 2014 — mit ihnen verbindet sich die Angst, die gemäßigten Konservativen im Nacken sitzt. Fast drei Viertel aller Republikaner vertreten Wahlkreise, die fest in der Hand ihrer Partei sind. In aller Regel, abgesehen von manchen wohlhabenden Vororten der Metropolen, stehen sie für ein kleinstädtisches oder ländliches Milieu, in dem weiße Amerikaner noch ziemlich klar dominieren. Die Hälfte der konservativen Abgeordneten vertritt die Südstaaten, während die "Grand Old Party" in Neuengland praktisch chancenlos ist.

Es gibt Kolumnisten, die bei der Beschreibung des Streits um die Schuldenobergrenze zugespitzt von einer Neuauflage des Bürgerkriegs sprechen, nur eben mit den Mitteln der politischen Blockade. In den Republikaner-Hochburgen führt es zu einem Rückzug des Pragmatismus, wie ihn Dwight Eisenhower, Richard Nixon oder Gerald Ford prägnant symbolisierten. Bessere Karten hat oft, wer unbeirrbar die reine Lehre predigt. Darauf gründet Huelskamps Prognose, nach der "Abtrünnige" mit einem Aufstand der Basis zu rechnen haben.

Aber zunächst einmal feiert sich der Senat, die kleinere, gediegenere Kammer, für sein Augenmaß. Es ist lange her, dass die Fraktionschefs beider Parteien unisono von einem "sehr konstruktiven" Tag sprachen. Erst im Sommer hatte der eine, der Republikaner Mitch McConnell (71), den anderen, den Demokraten Harry Reid (73), als unfähigsten Mehrheitsführer der Senatsgeschichte beschimpft.

Kurz vor ultimo haben sie sich doch verständigt, McConnell unter massivem Druck der Wirtschaft, Reid unter dem Druck Barack Obamas, der zwar selber mit harten Bandagen kämpfte, letztlich jedoch nicht als erster Präsident in die Annalen der modernen amerikanischen Geschichte eingehen möchte, unter dessen Regie die Republik zahlungsunfähig wird. Nach dem Fahrplan der Senatsspitze wird erstens die Schuldenlatte, die die USA morgen zu reißen drohen, höhergelegt, auf eine noch nicht genannte Summe, gültig bis zum 7. Februar. Zweitens soll der "Shutdown" enden, sollen sämtliche Nationalparks öffnen, nahezu komplett geschlossene Ressorts wie die Umweltbehörde den normalen Betrieb wiederaufnehmen, sobald das Parlament grünes Licht gegeben hat. Allerdings wird die Bundesverwaltung fürs Erste nur bis Mitte Januar finanziert. Drittens wollen beide Parteien bis zum 13. Dezember Verhandlungen über ein Steuer- und Ausgabenkonzept abschließen, das den Rekordschuldenberg langfristig abbauen soll, Korrekturen bei der staatlichen Rente und der Gesundheitsfürsorge für Senioren (Medicare) eingeschlossen.

Folgt man den wenigen Optimisten, münden die Strategiegespräche vielleicht irgendwann im Frühjahr in einen Etat, der das bisherige Löcherflicken ersetzt. Seit drei Jahren hangeln sich die USA mit Nothaushalten von Zitterpartie zu Zitterpartie, ohne dass sich das Parlament auf ein richtiges Budget verständigen kann. Hört man auf die Pessimisten, programmiert der Dialog mit seinen Fristen nur die nächsten Nervenproben.

(RP)
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