Washington Hillary Clinton und der Rest

Washington · Bei der ersten TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten der Demokraten kann die frühere First Lady punkten, nachdem sie in den vergangenen Monaten ins Straucheln geraten war. Nur Bernie Sanders fordert sie heraus.

"Nun", sagt Hillary Clinton, "wie die meisten Menschen, eingeschlossen jene, die sich für ein öffentliches Amt bewerben, nehme ich neue Informationen auf." Die Kandidatin dürfte lange an diesem Satz gefeilt haben, weil sie weiß, dass der Vorwurf, die eigene Meinung alle paar Monate an den neuesten Umfragen auszurichten, ihre Achillesferse ist. Ob sie alles und jedes sage, nur um gewählt zu werden, hakt CNN-Moderator Anderson Cooper bei der ersten TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftskandidaten nach. Nun, sie schaue sich eben an, was in der Welt passiere, pariert Clinton.

Als Außenministerin etwa hatte sie das transpazifische Freihandelsabkommen TPP noch in den höchsten Tönen gelobt. Jetzt, da es unterschriftsreif vorliegt, ist sie dagegen. Auch den Kurs, den Präsident Barack Obama gegenüber illegal Eingewanderten fährt, kleine Reformen und resolutes Abschieben, fand sie einst gerade richtig - heute kritisiert sie ihn als zu hart.

So flog Hillary Clinton, noch immer führend im Feld der demokratischen Präsidentschaftsanwärter, als angeschlagene Favoritin zum Debattenauftakt nach Las Vegas. Seit sie im April ihre Kandidatur bekanntgab, ist ihre Kampagne nicht in Schwung gekommen. Was sie zu sagen hatte, klang oft so einstudiert, als hätten übervorsichtige Berater jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Als sie in die Kritik geriet, weil sie als Chefdiplomatin auch für dienstliche E-Mails einen privaten Server benutzte, reagierte sie unbeholfener, als man es angesichts ihrer langen Erfahrung erwartet hatte.

Je angesäuerter sie wirkte, umso heftiger schossen die Spekulationen ins Kraut, nach denen Joe Biden, der amtierende US-Vizepräsident, seinen Hut in den Ring werfen würde. Für den Fall, dass Biden sich kurzfristig zur Teilnahme an der TV-Debatte entscheiden sollte, hatte der Fernsehsender CNN sogar ein zusätzliches Podium bereitgestellt. Biden aber verfolgte die Debatte lieber vor dem Fernseher in Washington.

In Las Vegas gelingt es Clinton, den Zweiflern mit einer souveränen Vorstellung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Reaktionsschnell und wortgewandt hat sie gegen vier männliche Kontrahenten das bessere Ende eindeutig für sich. Da ist Bernie Sanders, der mit feuriger Kapitalismuskritik eine Arena nach der anderen füllt. Sanders sieht sich als "unabhängiger Sozialist" und empfiehlt den USA, sich ein Beispiel an der Sozialpolitik skandinavischer Länder zu nehmen. Sie möge die Dänen, "aber wir sind nicht Dänemark", kontert Clinton. Gewiss müsse man kapitalistische Exzesse unter Kontrolle bekommen. Nur stehe Kapitalismus auch für den Erfolg unzähliger Kleinunternehmen.

Ob er das Wirtschaftssystem des Landes unterstütze, wird Sanders gefragt. Als Teil jenes "Casino-Kapitalismus", bei dem wenige so viel besitzen würden und die Gier der Wall Street die Wirtschaft gegen die Wand fahren lasse, sehe er sich nicht, sagt er. "Bernie, ich glaube nicht, dass die Revolution kommt", spöttelt Jim Webb, ein Vietnam-Kriegsveteran, der ansonsten blass bleibt, so wie Lincoln Chafee, einst Republikaner und Gouverneur des Zwergstaats Rhode Island. Auch Martin O'Malley, Marylands Ex-Gouverneur und mit 52 Jahren der Jüngste im Reigen, verpasst die Chance, zum ernsthaften Konkurrenten zu werden.

Clinton gesetzt, Sanders herausfordernd: Diese Konstellation dürfte den Wettlauf der Demokraten auf absehbare Zeit prägen. Es ist ein Duell mit Kontrasten. Clinton fordert eine Flugverbotszone über Teilen Syriens, Sanders hält das für zu riskant, weil es die Gefahr von Zusammenstößen mit der russischen Luftwaffe verstärke. Dass Edward Snowden im Falle einer Rückkehr vor Gericht gestellt werden soll, darin sind sich beide einig. Snowden müsse die Suppe schon auslöffeln, sagt Clinton in einem Ton, der keine Nachsicht erkennen lässt. Snowden habe eine wichtige Rolle bei der Aufklärung des amerikanischen Volkes gespielt, sagt jedoch Sanders. Als dann Clintons E-Mail-Affäre zur Sprache kommt, nimmt Sanders die Rivalin demonstrativ in Schutz. Die Wähler hätten es satt, sagt er, noch länger über "diese verdammten E-Mails" zu reden.

(RP)
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