Washington Hillary Clinton auf dem Weg ins Weiße Haus

Washington · Nach einem Jahr voller Zweifel sieht sie wie die sichere Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei aus. Souverän steuert sie ihr großes Ziel an.

Manchmal bringen sie es bei "Saturday Night Live", der Galasendung der amerikanischen Satire, bewundernswert genau auf den Punkt. Dann gelingt es ihnen im New Yorker Studio, die Lage mit ein paar herrlich überspitzten Dialogen treffender zu skizzieren, als es jeder Leitartikler vermag. Da blickt die Hillary Clinton des Dezember 2015 hochzufrieden in einen Spiegel, weil sie in elf Monaten, am Abend der Wahl, wohl endlich ihr schönstes Geschenk in Empfang nehmen kann. Zu "White-Christmas"-Melodien träumt sie vom Weißen Haus, bis aus einer Aschewolke die Hillary Clinton des Dezember 2007 auftaucht, um die Kassandra zu geben.

Damals, um Weihnachten herum, sei sie, die Gesetzte, genauso eingebildet gewesen wie heute, "und dann kam dieser Barack Obama mit einem Basketball und einer Zigarette aus der Suppenküche gestolpert, um mir mein Leben zu stehlen". Worauf die aktuelle Hillary antwortet, diesmal sei doch alles anders, diesmal duelliere sie sich ja nicht mit Obama, sondern mit Bernie "Nie von ihm gehört" Sanders.

Wenn nicht alles täuscht, wird es beim zweiten Anlauf klappen. Falls nicht noch etwas Sensationelles geschieht, wird sich die 68-Jährige im Juli auf einem Konvent in Philadelphia zur Kandidatin der Demokraten fürs Oval Office küren lassen. Vielleicht ist die Sache schon Anfang März entschieden, wenn am "Super Tuesday", dem Tag mit den meisten Vorwahlen, die Würfel fallen. Zu überlegen ist Clinton ihren beiden innerparteilichen Rivalen.

Bernie Sanders, der weißhaarige Senator aus Vermont, steht zwar mit seiner ehrlichen, bisweilen kantigen Art wie kaum ein anderer für den Anstand in der Politik, doch mit seiner Kapitalismuskritik steht er auch zu weit links, als dass er mehrheitsfähig wäre. Martin O'Malley, einst Bürgermeister der Problemstadt Baltimore, später Gouverneur des Bundesstaats Maryland, wirkt einfach zu blass. Die ersten drei von insgesamt sechs TV-Diskussionen beherrschte die Favoritin denn auch so souverän, dass sich mit der Zeit eine gewisse Lockerheit einstellte. Noch im Frühjahr hatten Spötter ihren verkrampften Kampagnenauftakt mit dem Kommentar begleitet, dass wohl jeder ihrer Sätze erst kollektiv von einem Berater-Komitee abgesegnet werden müsse, so dass am Ende nur noch Gestanztes übrig bleibe. Der holprige Start ließ vergessen, was man erst jetzt wieder sieht: Clinton versteht sich durchaus auf die Kunst des kontroversen, schnellen Wortwechsels, wie er im US-Wahlmarathon mit seiner unerbittlichen Härte nun mal die Spreu vom Weizen trennt. Auf der Debattenbühne kann sie spontan sein, mitunter sogar witzig.

Nur hat das ablaufende Jahr eben auch offenbart, wo ihre Schwächen liegen. Als bekannt wurde, dass sie sich als Chefdiplomatin eines privaten Servers bediente, um dienstliche E-Mails zu verwalten, brauchte sie Monate, ehe sie ihren Fehler eingestand. Das Kapitel erinnerte viele ihrer Landsleute einmal mehr daran, was sie an den Clintons, Bill und Hillary, nicht mögen: dass beide oft nur scheibchenweise mit der Wahrheit herausrücken, unter Druck lavieren, wie raffinierte Juristen es tun, was es in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur schlimmer macht. Im April sorgten brisante Berichte der "New York Times" für Furore. Demnach hatte ein kanadischer Bergbaukonzern 2,35 Millionen Dollar aufs Konto der von Bill gegründeten Stiftung überwiesen, offenbar um einen Regierungsausschuss gnädig zu stimmen, dem Hillary kraft ihres Amtes angehörte. Die Kanadier wollten Unternehmensanteile an eine russische Staatsfirma verkaufen und brauchten grünes Licht aus Washington, da sie auch in den USA Minen betrieben. Bill versäumte es zunächst, die Spende publik zu machen, womit sich zu bestätigen schien, was Kritiker den Clintons schon lange ankreiden: dass sie der Geschäftswelt mit ihrem Geld näher stehen, als es sich mit dem Credo der Demokraten verträgt. Das Power-Paar und "Big Money": Das Bauchgrimmen an der Basis ließ Sanders, der die wachsende Kluft zwischen dem reichen Amerika und jenem der Mittelschichten zu seinem Kernthema macht, vorübergehend zum Höhenflug ansetzen.

Nun aber dürfte Clintons heikelste Gratwanderung darin bestehen, sich mit Obamas Außenpolitik, die sie mitgeprägt hat, im Großen und Ganzen einverstanden zu erklären, sich aber zugleich von Fall zu Fall von ihr zu distanzieren. Gern erinnert sie deshalb daran, dass die gemäßigte syrische Opposition bereits im zweiten Jahr des Bürgerkrieges mit US-Waffen versorgt worden wäre, wäre es nach ihrem Willen gegangen und hätte der Präsident nicht gebremst. Statt den Islamischen Staat in Syrien und im Irak nur einzudämmen, wie Obama es lange als Ziel ausgab, will Clinton die Miliz schnellstmöglich "besiegen und zerstören". Damit kann sie punkten: Seit den Anschlägen von Paris und San Bernardino geht die Terrorangst um wie lange nicht, was zur Folge hat, dass die eigene Partei Clintons vergleichsweise hartem Kurs eher zuneigt, als es noch vor Monaten der Fall war.

Die Republikaner wiederum sind im Augenblick mit ihrem eigenen Dilemma beschäftigt. Jeb Bush oder John Kasich, gemäßigte Konservative, die Clinton im Wahlfinale bezwingen könnten, stehen hilflos im Schatten des Populisten Donald Trump. Das kann sich noch ändern, für den Moment aber haben sie bei "Saturday Night Live" auch dafür den passenden Sketch parat. Irgendwann erfährt die aus dem Qualm aufgetauchte Hillary Clinton des Dezember 2007, gespielt von Amy Poehler, dass diesmal ein zum Pomp neigender New Yorker Bauunternehmer ihr Gegner sein könnte. "Oh mein Gott", ruft sie entzückt: "Dann werden wir Präsidentin."

(RP)
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