La Paz Hilfswerk begrüßt die Legalisierung von Kinderarbeit

La Paz · Ein neues Gesetz in Bolivien löst heftige Reaktionen aus. In dem südamerikanischen Land müssen 850 000 Jungen und Mädchen arbeiten.

Bolivien hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Kinderarbeit zumindest teilweise legalisiert. Die Reaktionen sind unterschiedlich: "Das Gesetz geht weit hinter die Errungenschaften des internationalen Arbeitsrechts zurück. Kinder bedürfen des Schutzes, sie brauchen das Recht auf eine ganzheitliche Ausbildung", sagt Christian Frevel, Sprecher des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. "Die Regierung in Bolivien geht mit diesem Gesetz in die falsche Richtung." Präsident Evo Morales, der selbst als Kind arbeiten musste, mache einen Missstand zur Normalität.

Kinder sollen in dem bettelarmen südamerikanischen Land unter bestimmten Bedingungen schon ab dem zehnten Lebensjahr legal arbeiten dürfen. Das bolivianische Parlament billigte den entsprechenden Gesetzesentwurf. Die Neuregelung soll nur dann greifen, wenn die Schulausbildung der betroffenen Kinder nicht beeinträchtigt wird. Und die Kinder dürfen nur aus freien Stücken einer Tätigkeit nachgehen. Generell soll die legale Altersgrenze für Kinderarbeit künftig bei zwölf Jahren liegen. Auch hier gilt: Arbeit nur dann, wenn die Schule nicht darunter leidet.

Das internationale Kinderhilfswerk "Terre des Hommes" begrüßt den Gesetzentwurf der bolivianischen Regierung als "einen Schritt in die richtige Richtung". Die Bedingungen von Kinderarbeit würden künftig vom Staat mehr kontrolliert, sagte der Leiter des "Terre des Hommes"-Büros in Bolivien, Peter Strack. "Die Tatsache, dass die Kinder einen Ansprechpartner vonseiten des Staates haben, ist ein riesiger Fortschritt." Nach Ansicht Stracks ist die Richtung des neuen Gesetzes vielversprechender als andere Programme, weil die neue Regelung nicht auf ein nicht durchsetzbares Verbot abziele, sondern die Bedingungen der Kinder verbessern wolle.

Carmen Moreno, Sprecherin der Internationalen Arbeitsorganisation, lehnt das Gesetz rundweg ab: "Ich erkenne einen Rückschritt. Die Kinder im Alter von zehn Jahren sind viel zu klein, um irgendeine Arbeit aufzunehmen. Die Internationale Arbeitsorganisation hat das Alter für jedwede Arbeiten auf 14 Jahre festgelegt."

Laut Statistik des bolivianischen Arbeitsministeriums arbeiten in dem südamerikanischen Land rund 850 000 Jungen und Mädchen - also jedes vierte Kind. Gearbeitet wird unter teilweise erbärmlichen Bedingungen in Ziegeleien, in Großküchen oder auf der Straße. Aus europäischer Sicht ist das eine grobe Ungerechtigkeit gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft, aus der Sicht der bolivianischen Familien aber eine Notwendigkeit, um im täglichen Kampf ums Überleben über die Runden zu kommen. So sieht es auch die bolivianische Soziologin Fernanda Wanderley: "Wenn sie nicht arbeiten, haben sie nichts zu essen. So grausam ist das. Es ist eine Situation, die ihnen die Gesellschaft aufzwingt, in die sie hineingeboren wurden. Es ist dieselbe Gesellschaft, die ihnen verbietet zu arbeiten."

Bolivien ist immer noch eines der ärmsten Länder Südamerikas. Die sozialistische Regierung von Präsident Evo Morales hat ebensowenig wie ihre kapitalistischen Vorgängerregierungen für eine nachhaltige Entwicklung sorgen können - es fehlt an Konzepten und Ideen. Morales bekämpft bislang nur die Auswirkungen, aber nicht die Ursachen der Armut. Der Schritt, die Kinderarbeit aus der Schmuddelecke zu holen, ist ein Versuch, dem Missstand zumindest juristische Leitplanken zu setzen.

(RP)
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