Hilferuf aus Portugal

Die Rating-Agentur Moody's senkte erneut ihre Note. Die portugiesischen Banken drohen, ihrer Regierung keine Kredite mehr zu geben. Sie wollen, dass Lissabon endlich Hilfe annimmt.

Lissabon Der Goldpreis ist ein bewährtes Thermometer für die Lage der Weltwirtschaft. Gestern kletterte der Preis für eine Feinunze auf 1450 Dollar. Das ist der höchste Stand aller Zeiten, und er signalisiert: Es brennt an vielen Orten – tatsächlich in Nordafrika und Japan, im übertragenen Sinn in Portugal. Die Zuspitzung dort hat gestern noch mehr Anleger als bisher in das Edelmetall getrieben.

Was verschärfte die Lage in Portugal?

Am Morgen hatte die Rating-Agentur Moody's die Note für die Kreditwürdigkeit des portugiesischen Staates zum zweiten Mal innerhalb eines Monats gesenkt. Nun hat Portugal nur noch die Note "Baa1", das ist kaum besser als die Noten für hochriskante Schrott-Papiere. Damit verlangen Anleger noch höhere Risikoprämien, also Zinsen, für ihre Kredite an den portugiesischen Staat. Er muss nun fast zehn Prozent Zinsen zahlen. Das hält Moody's nicht mehr für tragbar und erwartet, dass Portugal bald unter seinem Schuldendienst zusammenbricht und Hilfe anderer Länder beantragt.

Die großen Banken Portugals fordern dies sogar. Sie haben laut einem Bericht der Wirtschaftszeitung "Jornal de Negocios" der Regierung damit gedroht, ihr keine Staatsanleihen mehr abzukaufen. Dabei muss Lissabon noch in diesem Monat Kredite über vier Milliarden Euro ablösen. Im Juni braucht es noch mal 4,9 Milliarden Euro. Die Banken wollen mit ihrem radikalen Schritt die Regierung dazu drängen, endlich Hilfe anzunehmen.

Warum zögert Portugal, Hilfe zu beantragen?

Der bestehende Rettungsschirm ist auch offen für Portugal. Doch die sozialistische Minderheitsregierung unter Ministerpräsident José Sócrates hat die Hilfen der Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds bislang abgelehnt. Sie weiß, dass die Hilfen mit scharfen Auflagen verbunden sind. Schon gegen die bisherigen Sparprogramme war der Protest groß. Sócrates schaffte es nicht, vor zwei Wochen ein neues Sparpaket durch das Parlament zu bringen – seine Regierung trat zurück. Nun wird am 5. Juni in Portugal neu gewählt. Auch der Wahlkampf lähmt das Land. Keine Partei will ihre Chancen verschlechtern, indem sie internationale Sparkommissare ins Land holt, auch wenn diese dringend nötig wären. Fast schon störrisch kündigte Sócrates am Montag im portugiesischen Fernsehen an: "Ich bin dem Gedanken verpflichtet, Portugal vor Hilfen von außen zu verteidigen."

Was ist das Problem Portugals?

Das rückständige Land hatte nach seinem Beitritt zur Europäischen Union zunächst stürmisches Wachstum erlebt. Die Schuh- und Textilbranche, die in Deutschland keine Chance mehr hatte, wanderte hierher ab. Doch später kamen die Chinesen und konnten diese Waren noch günstiger herstellen. Die portugiesische Textilbranche brach weg, Ersatz hat die Wirtschaft bis heute nicht gefunden. Portugal exportiert zu wenig, seine Einfuhren übersteigen seine Ausfuhren. Und Portugal exportiert zu einseitig, ein Viertel der Ausfuhren gehen in das ebenfalls Not leidende Nachbarland Spanien. Die Folge: Während viele Volkswirtschaften derzeit boomen, wächst Portugal kaum. Zudem ist der Arbeitsmarkt verkrustet. In vielen Branchen sind die Löhne an die Inflation gekoppelt und steigen automatisch mit ihr. Entsprechend hoch ist mit 11,2 Prozent die Arbeitslosenquote.

Die Schwarzarbeit ist in Portugal verbreitet; der Staat hat es schwer, sich ausreichend Steuereinnahmen zu verschaffen. Da die Sparneigung der Portugiesen traditionell gering ist, hat sich der Staat nicht im Land selbst verschulden können, sondern musste viele Kredite im Ausland aufnehmen – zu viele. Die gesamten Schulden machen inzwischen 84 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) von Portugal aus.

Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage Portugals?

Öffentlich äußert sich die Regierung dazu nicht, doch auch sie rechnet mittlerweile fest damit, dass Portugal in den nächsten Wochen unter den Rettungsschirm schlüpfen wird. Es sei unwahrscheinlich, dass Portugal sich noch so lange selbst über Wasser halte, bis im Mai oder Juni eine neue Regierung im Amt sei, hieß es in Regierungskreisen.

Was kostet die Rettung angeschlagener Euro-Staaten die deutschen Steuerzahler?

Das lässt sich derzeit noch schwer abschätzen. Zunächst einmal "verdient" der deutsche Staat daran, dass er anderen Euro-Staaten wie Griechenland oder Irland indirekt Kredite gewährt, für die diese Länder Zinsen bezahlen müssen. Der befristete Rettungsschirm für von der Pleite bedrohte Staaten soll maximal 440 Milliarden Euro an Hilfskrediten ausreichen können. Können die Empfänger die Kredite nicht zurückzahlen, haftet der deutsche Staat für knapp 30 Prozent dieser Summe. Der künftige Rettungsschirm ESM soll ab Mitte 2013 sogar bis zu 500 Milliarden Euro verleihen können. Die Staaten statten diesen Fonds mit "Eigenkapital" aus, Deutschland trägt davon 22 Milliarden Euro, die direkt als Bundesschuld verbucht werden müssen. Brenzlig wird es, wenn einer der Wackelkandidaten trotz aller Hilfen seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Dies könnte bald bei Griechenland der Fall sein.

Wie sieht es in Griechenland aus?

Athen muss 2012 wieder etwa 33 Milliarden Euro frisches Geld bekommen, um seine Infrastruktur am Laufen zu halten. Banken, Versicherungen und Investmentfonds dürfen Griechenland aber nur neues Geld leihen, wenn es über ein gutes Kreditrating verfügt. Da dies nicht der Fall ist, wird Griechenland wohl gezwungen sein, mit seinen Gläubigern über eine Streckung der Rückzahlungen oder über einen Schuldenerlass zu verhandeln. Zu den deutschen Gläubigern gehören die staatliche Hypo Real Estate und viele Landesbanken, die voraussichtlich auf Forderungen verzichten müssen. Dies erhöht die Verschuldung des Bundes. Die EU-Staaten hatten Griechenland kürzlich schon mehr Zeit für die Rückzahlung der bisherigen Hilfskredite gewährt: Die Laufzeit wurde von drei auf siebeneinhalb Jahre verlängert. Ob Griechenland die Hilfskredite zurückzahlen kann, wird sich also erst 2017 oder 2018 herausstellen.

(RP)
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