Altmaier flüchtet sich in Plattitüden Herkulesaufgabe Energiewende

Große Worte, wenig Konkretes: Der Energiegipfel der Kanzlerin mit den 16 Ministerpräsidenten bleibt hinter den Erwartungen zurück. Die Wirtschaft mahnt die bessere Koordination der Energiewende an.

Berlin Für diesen Auftritt hat sich Angela Merkel einige verbale Superlative zurechtgelegt. Die Energiewende sei eine "große Aufgabe", eine "Herkulesaufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen", eröffnet die Kanzlerin die Pressekonferenz nach ihrem Treffen mit den 16 Ministerpräsidenten gestern im Kanzleramt. Merkel spricht von einem "Meilenstein", den dieser Bund-Länder-Energiegipfel gesetzt habe, von einem "sehr konkreten Plan", den man gemeinsam entwickelt habe, und vom "Kern der Koordinierung", den die Bundesregierung übernommen habe.

Doch was dann kommt, ist wenig konkret. Man werde sich in diesem Format künftig halbjährlich treffen, um über die Erfordernisse der Energiewende zu beraten, berichtet der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Einzelinteressen der Länder müssten zurückgestellt werden, mahnt Schleswig-Holsteins scheidender Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) mit Blick auf Bayern, das wegen fehlender Fortschritte und großer Unklarheiten vor dem Treffen damit gedroht hatte, eigene Wege bei der Energieversorgung zu gehen. Im Kanzleramt habe Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) diese Drohung dann nicht mehr wiederholt, sagt Carstensen.

Rechts neben Beck sitzt auch noch der Mann, der den "Kern der Koordinierung" in der Bundesregierung künftig verkörpern soll. Es ist der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der nach dem Rauswurf von Norbert Röttgen erst seit zwei Tagen im Amt ist. Auch Altmaier flüchtet sich in Plattitüden, spricht von der "Chance auf einen nationalen Konsens" und einer Menge "Hausaufgaben" für Bund und Länder. Das sind sie:

Solarförderung Noch vor der Sommerpause wollen sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss auf die Kürzung der Solarförderung einigen, so Merkel. Moderiert wird das von Altmaier, der schon angedeutet hatte, dass sich beide Seiten in der Mitte treffen müssten. Der Bund will die Fördersätze für neu installierte Solaranlagen deutlich kürzen, um den rasanten Zubau zu begrenzen. Gelingt das nicht, droht eine erhebliche Erhöhung der sogenannten EEG-Umlage, die die Kunden zur Förderung des Solarstroms über den Strompreis bezahlen müssen. Vor allem die ostdeutschen Länder wollen jedoch das weitere Sterben ihrer Solarfirmen verhindern. Auch CDU-geführte Länder blockierten daher Röttgens Kürzungspläne im Bundesrat.

Gebäudesanierung Auch der Steuerrabatt für energetische Modernisierungsmaßnahmen am Haus soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Nach den Plänen des Bundes sollen Investoren pro Jahr zehn Prozent ihres Aufwands von der Steuer absetzen können; der Bund rechnet mit einem Steuerausfall von 1,5 Milliarden Euro jährlich. Die Länder wollen diese Mindereinnahmen nicht mittragen. Zudem will die SPD durchsetzen, dass der Modernisierungsaufwand von der Steuerschuld absetzbar ist, damit Bezieher kleinerer Einkommen davon genauso profitieren.

Einen Schritt zur Erleichterung von Investitionen in die energetische Gebäudesanierung ging das Bundeskabinett bereits gestern mit der Mietrechtsreform. Die 39 Millionen Mieter können sich demnach künftig nur noch schwer gegen eine energiesparende Sanierung in ihrer Wohnung sperren. Die Kosten für die energetische Sanierung sollen aber weiterhin mit maximal elf Prozent im Jahr auf die Miete umgelegt werden können. Eigentümerverbände hatten eine Erhöhung der Umlage gefordert.

Netzausbau Schon kommende Woche will Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) einen Netzentwicklungsplan vorlegen. Darin wird erstmals festgelegt, welche Stromtrassen wann wo gebaut werden müssen, damit überall in Deutschland die Energieversorgung sichergestellt ist, wenn 2022 auch das letzte Atomkraftwerk abgestellt sein wird. 3600 Kilometer neue Leitungen vor allem von Nord- nach Süddeutschland sind nötig. Zudem muss der Anschluss der Windparks in der Nordsee beschleunigt werden. Immer mehr Wind- und Solarparks bringen nur etwas, wenn der überschüssige Strom gespeichert werden kann. Berlin gibt daher viel Geld für die Speicherforschung aus. Zudem müssen rasch Anreize geschaffen werden, damit die Energiebranche mehr Geld in neue Gas- und Kohlekraftwerke steckt, die beim Übergang helfen.

Endlagersuche Ebenfalls bis zur Sommerpause, so hofft Altmaier, kann er sich mit den Ländern auf ein Endlagersuchgesetz für den Atommüll einigen. Geklärt werden muss, wie der bisher favorisierte Standort Gorleben in das Suchverfahren integriert wird und wer das Sagen bei der Suche haben wird.

Masterplan Einen "Masterplan" brauche die Regierung nicht, meint Merkel. Die "Gesamtkoordinierung" liege ohnehin längst bei der Bundesregierung. Doch die Wirtschaft vermisst die ordnende Hand. Ohne Steuerung und mehr Abstimmung fahre die Energiewende an die Wand, warnen die Verbände. "Wir haben ein heilloses Durcheinander von Kompetenzen und Personen, die sich berufen fühlen, einzelne Teile der Energiewende zu vertreten", sagt etwa Stephan Weil, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen. "Es ist, wenn Sie so wollen, ein Führungsversagen der Bundeskanzlerin an dieser Stelle."

(RP/jh-)
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