Gouverneur Chris Christie unter Druck Verdacht: Superstau als Manöver im US-Wahlkampf

Washington · Um seiner politischen Konkurrenz zu schaden, soll Gouverneur Christie angeordnet haben, die George Washington Bridge zu blockieren.

Herausforderer von Barack Obama: Bridgegate-Skandal um Chris Christie
Foto: ap, Mel Evans

Wollte man eine Liste der berüchtigtsten Nadelöhre des amerikanischen Straßenverkehrs anlegen, die George Washington Bridge rangierte ziemlich weit oben. Die Blechlawine, die sich auf ihr über den Hudson quält, von New Jersey auf die Wolkenkratzerinsel Manhattan und umgekehrt, kommt nur selten über Schritttempo hinaus, zumal Mautstationen für zusätzliche Warterei sorgen.

Im Schatten des Brückenriesen liegt Fort Lee, eine Schlafstadt für Pendler, die ihre Brötchen in aller Regel in New York verdienen. Und was in Fort Lee los gewesen sein muss, als der Highway zur Washington Bridge an vier Tagen im September bis auf eine Spur gesperrt war, kann man sich ausmalen, wenn man eine E-Mail des dortigen Bürgermeisters liest: "Helft bitte! Es lässt einen wahnsinnig werden", flehte Mark Sokolich bei der Hafenbehörde, die in New York und Umgebung für die gesamte Infrastruktur zuständig ist.

Vier Monate später wird die Sache zum Politikum. Es geht um die eigentlich skurril klingende Frage, ob sich Chris Christie, der hochambitionierte Gouverneur des Staates New Jersey, an einem aufsässigen Lokalpolitiker rächte, indem er einen Mega-Stau organisieren ließ. Noch beteuert Christie, von alledem nichts gewusst zu haben. Was stimmen kann, ihn aber dennoch in Erklärungsnot bringt: Wieso hatte er seinen Laden dann nicht besser im Griff?

Begonnen hatte es im August, mit einer gestern veröffentlichten E-Mail, die Christies Vize-Stabschefin an David Wildstein schickte, einen alten Freund des Politikers aus Highschool-Tagen, aufgestiegen auf einen Spitzenposten der Hafenbehörde. "Zeit für ein paar Verkehrsprobleme in Fort Lee?", schrieb die Beamte, nachdem Sokolich, besagter Bürgermeister, zur herbstlichen Gouverneurswahl nicht Christie empfohlen hatte, sondern dessen Rivalin, die Demokratin Barbara Buono. "Habe begriffen", erwiderte Wildstein.

Vier Wochen später waren zwei Fahrbahnen dicht — nach offizieller Version wegen einer unaufschiebbaren Studie. Schulbusse schafften es nicht pünktlich zum Unterricht, Krankenwagen blieben trotz Blaulichts stecken. In einem Fall, der noch die Justiz beschäftigen dürfte, starb eine Frau, die länger als üblich auf die Rettungssanitäter warten musste, nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus.

Als fast nichts mehr ging in Fort Lee, flimmerte bei Wildstein die E-Mail eines Mitwissers über den Schirm. "Ist es falsch, dass ich lächle?", fragte ein Absender mit vorläufig ungeklärter Identität, nachdem Sokolich sein Leid über die Kinder in den verspäteten Schulbussen geklagt hatte. Darauf Christies Kumpel: "Nein, das sind die Kinder von Buono-Wählern."

Das brisante bei dem Skandal um Christie: Er gilt als größter Hoffnungsträger der Republikaner. Nicht nur, dass sich "Big Boy", wie Parteifreunde das Schwergewicht nennen, Chancen ausrechnet, 2016 für die Präsidentschaft zu kandidieren. Ausgestattet mit beachtlichem Redetalent, versteht er es, sich über die Parteiengräben Washingtons zu erheben und ganz den pragmatischen Problemlöser zu geben.

Mancher fragt sich nun, ob die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg reine Inszenierung war. Wer ist er wirklich? Ein kleingeistiger Tyrann? Es gibt Stimmen, die vergleichen ihn bereits mit Tony Soprano, New Jerseys berühmtester Fernsehserienfigur, einem Mafiapaten, der belohnte und bestrafte, wie es ihm gefiel.

Allein schon die Übertreibung macht klar, was für Christie auf dem Spiel steht. "Ich war bei der Planung und Durchführung dieser Sache nicht informiert oder involviert", verteidigte er sich gestern bei einer Pressekonferenz. Einen Rücktritt lehnte er ab. Die Mitarbeiterin, von der einige der E-Mails stammten, habe er mit sofortiger Wirkung gefeuert.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort