Paris Hauen und Stechen in Paris

Paris · Die französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben sich wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl ein beinhartes TV-Duell geliefert. Es könnte den Ausgang der Wahl beeinflussen.

Marine Le Pen setzte von der ersten Minute an auf Frontalangriff. "Sie sind der Kandidat der wilden Globalisierung, der sozialen Brutalität", begann die Kandidatin des Front National die Fernsehdebatte mit Emmanuel Macron fünf Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt. Sie selbst sei dagegen die "Kandidatin des Volkes", Macron, der die erste Runde der Präsidentenwahl als Erstplatzierter für sich entschieden hatte, profitierte jedoch schnell von den Wirtschaftsfragen, die gleich am Anfang des TV-Duells standen.

Wie ein Lehrer maßregelte der ehemalige Wirtschaftsminister die Rechtspopulistin, die sich bei der Aufzählung der französischen Unternehmen verhedderte, bei deren Rettung der Staat ihrer Ansicht nach versagt hatte. "Sie verwechseln Telefone und Turbinen", sagte der 39-Jährige milde lächelnd. "Sie haben ein großes Problem mit den Industriethemen. Sie arbeiten nicht genug daran", kritisierte der Mitte-Links-Kandidat schulmeisterlich.

Le Pen attackierte Macron vor allem, indem sie ihm wiederholt vorhielt, als Minister unter Präsident François Hollande gedient zu haben. "Wenn Sie das Rezept hatten, um die Arbeitslosigkeit zu verringern, warum haben Sie es dann nicht gemacht?", fragte die 48-Jährige ihren neun Jahre jüngeren Rivalen, der sich dadurch aber nicht aus dem Konzept bringen ließ. Gelassen nannte Macron aus dem Kopf alle Zahlen während die Rechtspopulistin in ihren Unterlagen nach den Daten suchen musste. "Sie haben keine Strategie. Ihre Strategie ist nur, viele Lügen zu erzählen und zu sagen, was nicht läuft. Aber sie schlagen nichts vor", warf Macron der Rechtspopulistin zum Thema Arbeitslosigkeit vor.

In diesem Zusammenhang brachte Le Pen etwa den Fall des US-Haushaltsgeräteherstellers Whirlpool ins Spiel, der trotz guter Geschäftszahlen seine Fabrik in Frankreich schließen und die Arbeitsplätze nach Polen verlagern will. Vergangene Woche hatten sich die beiden Kandidaten am Whirlpool-Standort im nordfranzösischen Amiens ein Fernduell geliefert. Le Pen war auf dem Parkplatz der Firma erschienen, während Macron in der Handelskammer mit Gewerkschaftsvertretern verhandelte, um dann später auf dem Gelände mit den Arbeitern zu reden. "Sie haben eine Viertelstunde auf dem Parkplatz gestanden. Ich war im Kontakt mit den Angestellten. Die haben verstanden, dass sie nichts vorzuschlagen haben", giftete Macron.

Die spannungsgeladene Debatte glich in weiten Teilen einem verbalen Boxkampf, bei dem beide Kandidaten oft gleichzeitig und durcheinander sprachen. Le Pen war dabei meist diejenige, die angriff, doch Macron parierte die Attacken der Rechtspopulistin mit Detailkenntnis und vielen Zahlen. Le Pens Versprechen, die Kaufkraft der Franzosen zu stärken, seien nicht finanziert, sagte Macron. "Sie werden entweder die Steuern erhöhen oder die Schulden erhöhen." Die von Le Pen geforderte Absenkung des Rentenalters auf 60 Jahre koste 30 Milliarden Euro: "Das ist nicht finanzierbar." Le Pen hielt dagegen, sie wolle Milliarden bei den Ausgaben für die EU und für die Einwanderung einsparen. "Ich gebe den Franzosen ihr Geld zurück." Zudem griff sie Macron wegen seiner Vergangenheit als Investmentbanker an. Ihm fehle der "Nationalgeist".

Bei Thema Innere Sicherheit und Kampf gegen den Terrorismus warf Le Pen ihrem Konkurrenten Blauäugigkeit gegenüber den Extremisten und Nachsicht mit Islamisten vor. Macron konterte mit dem Vorwurf, die drastischen Maßnahmen, mit denen Le Pen im Fall eines Wahlsiegs gegen mutmaßliche Islamisten vorgehen wolle, würden wirkungslos bleiben.

Macron ist zwar Favorit für die Stichwahl am Sonntag. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos dürfte Macron die Stichwahl am Sonntag mit 59 zu 41 Prozent der Stimmen gewinnen. Wirklich überzeugt hat der Ex-Minister die Franzosen aber dennoch nicht: 47 Prozent der Befragten gaben an, seine Persönlichkeit nicht zu mögen. Bei Marine Le Pen sind es allerdings 60 Prozent.

Die Fernsehdebatte vor der Stichwahl findet traditionell ein Millionenpublikum. 2002 fiel das Duell aus, da sich der konservative Kandidat Jacques Chirac weigerte, mit Le Pens Vater Jean-Marie zu diskutieren, der überraschend in die zweite Runde der Präsidentenwahl gekommen war. 2012 sahen rund 18 Millionen Zuschauer das Duell zwischen dem Sozialisten Hollande und dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Der Meinungsforscher Jean-Daniel Lévy wies im Vorfeld des Duells zwischen Macron und Le Pen darauf hin, dass bisher noch keine der seit 1974 abgehaltenen Debatten die Wahlabsichten völlig umkrempelte. Allerdings sind in diesem Jahr besonders viele Wähler noch unentschlossen: 18 Prozent sollen noch nicht wissen, wo sie am Sonntag ihr Kreuzchen machen.

(RP)
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