Vorschläge an Kanzler Schröder überreicht Hartz bekräftigt: Zwei Millionen Arbeitslose weniger

Berlin (rpo). Peter Hartz hat seine Zielvorgabe erneuert, in drei Jahren die Zahl der Arbeitslosen um zwei Millionen zu senken. Das bekräftigte der Vorsitzende der Regierungskommission zur Reform des Arbeitsmarktes am Freitag anlässlich der Übergabe des 343-seitigen Berichts an Kanzler Schröder.

Am Freitag in Berlin sagte der VW- Personalmanager, es sei darum gegangen, auf dem Arbeitsmarkt weniger Staat und mehr Eigenverantwortung umzusetzen. Die "meterlangen Vorschriften" sollten um etwa zwei Drittel abgebaut werden.

Hartz will das Konzept am Nachmittag im Französischen Dom am Berliner Gendarmenmarkt vor 500 Teilnehmern erläutern. Schröder nimmt nicht an der Veranstaltung teil. Die Vorschläge zielen darauf, Arbeitslose schneller wieder in Arbeit zu vermitteln und so die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von 33 auf 22 Wochen zu senken.

Die Kommission setzt auf mehr Leih- und Zeitarbeit, mehr Minijobs und mehr Existenzgründer. Die Arbeitsämter sollen zu Jobcenter umgewandelt werden. Auf generelle Leistungseinschnitte für Arbeitslose wurde verzichtet. Arbeitslosen, die zumutbare Jobs ablehnen oder ihre Kündigung verspätet melden, drohen aber individuelle Kürzungen.

SPD und Grüne wollen alles so rasch wie möglich umsetzen, Union und FDP halten es für Wahlkampfklamauk. Nachfolgend ein Überblick über die Eckpunkte des am Freitag vorgelegten Abschlussberichts:

JOBZENTREN

Aus den bisherigen Arbeitsämtern werden Jobzentren, deren Aufgabe vorrangig in der effizienten und raschen Vermittlung der Stellensuchenden besteht. Sie sollen die Arbeitslosen motivieren, fördern und fordern. Die Jobzentren sind als Anlaufstelle für alle gedacht, die erwerbsfähig sind und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Es soll keinen Verschiebebahnhof mehr zwischen Arbeits- und Sozialämtern geben.

SCHNELLVERMITTLUNG

Beschäftigte, denen der Verlust des Arbeitsplatzes droht, müssen dem Jobcenter die Kündigung sofort mitteilen. Damit kann die Kündigungsfrist bereits für Vermittlungsbemühungen genutzt werden, so dass im günstigen Fall Arbeitslosigkeit gar nicht erst eintritt. Wer seine Kündigung verspätet meldet, dem werden 10 bis 50 Euro je Tag - abhängig vom Einkommen - bei der Unterstützung gestrichen.

ZUMUTBARKEIT

Neue Zumutbarkeitsregeln sollen dafür sorgen, dass vor allem Ledige und Verheiratete ohne Kinder schneller als bisher einen neuen - auch geringer bezahlter - Job fernab ihres Wohnsitzes annehmen müssen, wollen sie Leistungskürzungen vermeiden. Diese sollen "dosiert" zur Anwendung kommen. Wer glaubt, eine Stelle sei nicht zumutbar, muss dies darlegen (Umkehr der Beweislast). Wer aus persönlichen Gründen nicht vermittelt werden will, kann dies dem Jobcenter mitteilen, verzichtet damit aber auf Arbeitslosen- Unterstützung und fällt aus der Statistik heraus.

JUGENDLICHE

Jugendliche sollen von den Jobzentren gezielt gefördert und vermittelt werden. Kein Jugendlicher, der sich darum bemüht, soll ohne Job oder Ausbildungsstelle bleiben. Dafür muss das Jobzentrum sorgen. Ein neues, über eine Stiftung finanziertes Ausbildungs- Wertpapier soll zusätzliche Ausbildungsplätze ermöglichen. Es garantiert dem Inhaber eine Lehrstelle.

ÄLTERE

Arbeitslose, die älter als 55 Jahre sind, und nicht mehr vermittelt werden wollen, sollen aus der Betreuung durch die Jobzentren herausgenommen werden. Sie erhalten dann auf der Basis bisheriger Versicherungsbeiträge eine monatliche Zahlung, die auch die Sozialbeiträge berücksichtigt. Diese Variante soll stufenweise zurückgeführt werden. Andererseits will man Arbeitslose über 55 zur Aufnahme einer auch schlechter bezahlten Tätigkeit motivieren: Ihnen soll eine Lohnversicherung geringeres Nettoentgelt abmildern.

ARBEITSLOSENGELD UND -HILFE

Im Prinzip wird sich nichts ändern - Arbeitslosengeld II (bisher: Arbeitslosenhilfe) soll unbefristet bezahlt werden, das vorangegangene höhere Arbeitslosengeld I bis maximal 32 Monate. Die anfangs erwogene Pauschalierung und Verkürzung des Arbeitslosengeldes wurde fallen gelassen. Eine elektronische Chipkarte soll die Berechnung des Leistungsanspruchs erleichtern.

ARBEITGEBER

Um Arbeitgebern einen Anreiz zur Schaffung neuer Stellen zu geben, ist ein Bonussystem vorgesehen: Wer Leute einstellt, wird dafür mit einem Bonus bei den Sozialversicherungs-Beiträgen belohnt. Auch firmen, die Arbeitsplätze "aktiv sichern", sollen belohnt werden nach dem Motto: Kein Nachschub für Nürnberg.

PERSONAL-SERVICE-AGENTUREN

Die bei Jobzentren oder Privatvermittlern angesiedelten Personal-Service-Agenturen (PSA) bieten jedem Arbeitslosen eine Beschäftigung als Leiharbeiter an. Diese erhalten während der Probezeit einen Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes, bei Übernahme werden sie nach PSA-Tarif bezahlt. Wer eine solche Stelle ausschlägt, muss mit Leistungskürzungen rechnen. Das Modell baut darauf, entleihende Firmen vom Kündigungsschutz zu entlasten, den Beschäftigten aber sozial abzusichern. Daneben setzt es auf einen "Klebeeffekt": Wenn ein Unternehmen mit einem Leiharbeitnehmer zufrieden ist, wird er aller Erfahrung nach früher oder später in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis übernommen.

MINIJOBS

Schwarzarbeit soll abgebaut und in eine Existenzgründer- Welle umgelenkt werden. So will man arbeitslose Schwarzarbeiter durch finanzielle Anreize ermuntern, sich in "Ich-AGs" oder "Wir-AGs" als Dienstleister selbstständig zu machen. Die Einnahmen unterliegen bis zu 25 000 Euro im Jahr einer Pauschalsteuer von zehn Prozent. Die Grenze für steuer- und sozialabgabenbegünstigte Mini-Jobs im Haushaltsbereich steigt von 325 auf 500 Euro monatlich.

JOB FLOATER

Eine Job Floater genannte verzinsliche Anleihe im Volumen von 20 Milliarden Euro soll das Geld aufbringen, um damit in strukturschwachen Regionen Firmen zinsgünstige Kredite zur Schaffung einer Million neuer Arbeitsplätze zu geben. Der Arbeitslose bringt also praktisch das Geld für seine neue Stelle mit. Die Anleihe soll auch dazu verwendet werden, Infrastrukturprojekte aus dem Solidarpakt II vorzuziehen.

BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT

Sie soll sich künftig auf ihre Kernaufgaben - Arbeitslosenversicherung, Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitslosen - konzentrieren. Andere Aufgaben - wie die Auszahlung des Kindergeldes - werden ausgegliedert, um mehr Mitarbeiter für die Vermittlung frei zu haben. Die Landesarbeitsämter werden zu Kompetenzzentren für neue Arbeitsplätze und Beschäftigungsentwicklung umgebaut, um damit vor allem den Problemregionen auf die Beine zu helfen.

MASTERPLAN

6 Millionen "Profis der Nation" - etwa Politiker, Unternehmer, Gewerkschafter, Wissenschaftler, Lehrer, Geistliche und Journalisten - sollen bei der Lösung des Arbeitslosenproblems mit anpacken, jeder auf seine Weise, jeder mit seinen Möglichkeiten. "Wir haben alle bisher zu wenig getan", so der Appell von Kommissionschef Peter Hartz zur Mitarbeit.

(RPO Archiv)
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