Persönlich Hans-Werner Sinn ... ignoriert die Altersgrenze

Er wird am Donnerstag 65 Jahre alt, doch aufhören will er noch lange nicht: Hans-Werner Sinn, Deutschlands streitbarster Wirtschaftswissenschaftler, hat seinen Vertrag als Chef des renommierten Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung noch einmal um drei Jahre verlängert. "Seine Vertragsverlängerung hat mich nicht überrascht, im Gegenteil", sagt Sinns Kollege Wolfgang Franz, der bisherige Chef des Rats der Wirtschaftsweisen, der vergangene Woche auch erst mit 69 Jahren in Pension gegangen ist.

Persönlich: Hans-Werner Sinn ... ignoriert die Altersgrenze
Foto: Endermann, Andreas (end)

Wer ihn kennt, weiß eben ganz genau, dass in dem Mann mit dem Kapitänsbart die Leidenschaft zum Politisch-Ökonomischen unverändert lodert. "Das ist die aufregendste Zeit meines Lebens", sagt er selber mit Blick auf die ungelöste europäische Finanzkrise. "Noch aufregender als der Beginn meiner Studienzeit in der Studentenrevolte 1968. Da kann man nicht im Sessel sitzen und Däumchen drehen."

Und er dreht eben keine Däumchen. Fast im Jahrestakt kommen Bücher von ihm auf den Markt, sie heißen "Kasino-Kapitalismus" oder "Target-Falle", und sie landen meistens auf Bestsellerlisten. Sinn ist nicht nur in Deutschland der wohl bekannteste Ökonom, auch international genießt er höchsten Respekt.

Er bürstet gerne gegen den Strich. Seine Überzeugungen decken sich selten mit denen der Gewerkschaften und der linken Parteien, deshalb schmähen ihn viele von dieser Seite als neoliberalen "Professor Unsinn". Aber auch die rechte Seite regt sich mitunter auf über den Querdenker. Finanzminister Schäuble etwa missfiel die Forderung Sinns nach einem Euro-Austritt Griechenlands. Und seine überlaute Warnung vor einer Massen-Wanderung von Armutsflüchtlingen aus osteuropäischen EU-Staaten ins deutsche Hartz-IV-System nervte viele, weil er damit heillos übertrieb.

Dass Sinn für weitere drei Jahre an Bord bleibt, freut sie trotzdem alle — weil er ein glänzender Denker ist und man sich deshalb umso lieber mit ihm streitet.

Birgit Marschall

(mar)
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