Jerusalem Hannelore Kraft betet in Yad Vashem

Jerusalem · Die erste Auslandsreise führt NRW-Ministerpräsidentin Kraft nach Israel und in die palästinensischen Gebiete. Mit Israels Präsident Peres sprach sie über die Zukunft der Region nach der arabischen Revolution. In der Gedächtnisstätte Yad Vashem betonte sie die besondere Beziehung zu Israel.

Die nordrhein-westfälische Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) hasst die große Pose. "Ich mache da keine Show draus", raunzt sie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Fotografen an, als die sie am einzigen Ort, an dem Fotografieren erlaubt war, mit Nachdruck aufforderten, doch fernsehwirksam in die Kameras zu schauen. "Dazu berührt mich das hier viel zu sehr."

Die Ministerpräsidentin steht in der "Halle der Namen", in der die Spuren von vier Millionen ermordeten Juden in unzähligen Ordnern und Bildern zusammengetragen sind. Hannelore Kraft ist wortkarg angesichts der Verbrechen, die im deutschen Namen begangen wurden. Die deutschsprachige Führerin durch das Museum, die aus München stammende Israelin Noa Mkayton, spricht von einem "Bruch der Zivilisation" angesichts des millionenfachen Mordes durch Nazi-Deutschland und dessen Kollaborateure.

Die Szene wiederholt sich in der "Halle der Erinnerung", einem weiträumigen, aus großem Bruchstein und Beton ausgeführten Bauwerk, auf dessen Boden die Namen der 22 Konzentrations- und Vernichtungslager stehen. Kraft entzündet ein ewiges Licht, legt einen Kranz und Blumen nieder und verharrt im Gedenken – die Hände zum ganz privaten Gebet gefaltet.

"Meine erste Auslandsreise führt mich mit voller Absicht nach Israel", sagt die Ministerpräsidentin hinterher. "Wir haben zu diesem Land eine besondere Beziehung. Und das unterstreicht diese Reise." Kraft ist nicht in erster Linie als Chefin des größten Bundeslandes in Israel: Sie vertritt die Bundesrepublik als Präsidentin des Bundesrats und ist damit protokollarisch die Nummer vier im Staat – nach Bundespräsident, Bundestagspräsident und Kanzlerin.

Kraft ist auch nicht nur der besonderen Beziehungen Deutschlands zu Israel wegen ins Heilige Land gekommen. Sie ist genauso interessiert an der Situation in der arabischen Welt – an Israels Haltung zu den bürgerlichen Revolten in Ägypten, Tunesien und Libyen, an der Zukunft des Verhältnisses von Israel zu den Palästinensern, an der Möglichkeit, die deutsche Hilfe für den Friedens- und Demokratisierungsprozess zu intensivieren. Ihre Macht als Bundesratspräsidentin ist beschränkt. Im Grunde kann sie nur Projekte ihres Landes in Israel und den Palästinenser-Gebieten fortführen oder neu auf den Weg bringen. Etwa den Austausch zwischen deutschen, israelischen und palästinensischen Studenten über die Universität Düsseldorf. Oder die Hilfen für Städtepartnerschaften mit den beiden Teilen.

Ihre Heimatstadt Mülheim unterhält solche Verbindungen mit Kfar Saba in Israel und Kalkilia in den Palästinensergebieten. Doch die Palästinenser müssen nach Deutschland reisen, um die Israelis zu sehen. "In Kalkilia sind die Menschen von Mauern umgeben, die sie davon abhalten, in die Gebiete der Siedler oder nach Israel zu gelangen", erzählt die Mülheimerin aus eigener Reiseerfahrung. "Die Grenze ist höher und undurchdringlicher als die Berliner Mauer", sagt Kraft. Sie gibt zu, dass seither kaum Selbstmordattentate in Israel zu verzeichnen sind, die vor Jahren das Land so terrorisierten. "Aber eine solche Lösung wird nicht halten", sagt die Politikerin aus dem einst ebenfalls geteilten Land.

Der Gast aus Europa ist aber auch interessiert an der Zukunft der gesamten Region – gerade aus dem Blickwinkel des so auf seine Sicherheit bedachten Israel. Der langjährige Präsident und ewige Vollblutpolitiker Schimon Peres gibt ihr eine Antwort. "Wir müssen auf die Jugend und die Frauen setzen im arabischen Demokratisierungsprozess. Und die Menschen brauchen Bildung", ist Peres überzeugt. "Er ist ein alter weiser Mann", zeigt sich Kraft beeindruckt nach ihrem über einstündigen Gespräch. Er sei auch ein Mann voller Ideale, die sie im harten Kurs der rechtskonservativen Regierung des Landes unter Führung von Benjamin Netanjahu nicht unbedingt findet, wenn sie das auch nicht so offen sagt.

Es ist Peres, der die Sozialdemokratin aus Nordrhein-Westfalen an ihre gemeinsamen "sozialistischen Visionen" erinnert. Kraft lächelt. Ein solches Etikett passt nicht ganz zu ihrem pragmatischen Kurs in Düsseldorf. Sie lässt es sich aber gern gefallen. Denn visionäre Politik ist Kraft trotz aller Bodenhaftung nicht verdächtig. "Das zeigt doch ganz klar das Beispiel der Menschen im arabischen Raum."

Internet Fotos von Krafts Besuch in Israel unter www.rp-online.de/politik

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort