Am Wahltag Brief an Westerwelle geschrieben Hamm-Brücher tritt aus FDP aus

München (rpo). Der Brief an Parteichef Westerwelle trägt das Datum des Wahlsonntages: Aus Enttäuschung über die FDP ist Hildegard Hamm-Brücher nach 54 Jahren aus der Partei ausgetreten.

In dem Brief an Parteichef Guido Westerwelle macht die 81-Jährige vor allem die antiisraelischen Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen Parteivize Jürgen Möllemann für ihre Entscheidung verantwortlich. Sie wirft Westerwelle mangelnde Führungsverantwortung vor. "Sie haben zu lange geschwiegen und dem Möllemann-Kurs nicht rechtzeitig Paroli geboten", heißt es in dem am Dienstag der dpa in München zugeleiteten Brief.

In einer "zur rechten Volkspartei à la Möllemann gestylten FDP" könne sie keine Spuren aufrechter Liberaler mehr entdecken, schreibt Hamm-Brücher weiter. Sie hatte schon im Sommer bei den früheren Auseinandersetzungen um Möllemann mit ihrem Partei-Austritt gedroht. Jetzt betonte sie ausdrücklich, sie habe ihre Entscheidung nach mehrmonatiger Bedenkzeit bewusst vor der Bundestagswahl und ihren Ergebnissen sowie unabhängig von der Zukunft Möllemanns getroffen. Für "last-minute"-Absetzbewegungen sei es nun zu spät. Möllemann hatte am Montag nach der Wahl auf Druck der Partei sein Amt als Parteivize niedergelegt.

Hamm-Brücher gehörte der FDP seit 1948 an und vertrat die Partei in zahlreichen landes- und bundespolitischen Funktionen, unter anderem von 1977 bis 1982 als Staatsministerin im Auswärtigen Amt. 1994 bewarb sie sich für die Liberalen um das Amt des Bundespräsidenten. Aus Protest gegen eine Koalitionsaussage der bayerischen FDP zu Gunsten der CSU war sie 1998 bereits aus der Landespartei ausgetreten und hatte seither ihre Beiträge direkt an den Bundesverband gezahlt.

Westerwelle: Gesicht der FDP mitgeprägt

Westerwelle erklärte in einem Antwortschreiben an die ehemalige Außenamts-Staatsekretärin, sie habe das Gesicht der FDP als einzige liberale Partei Deutschlands mitgeprägt. Er betonte, dass die Partei die Traditionen liberaler Vorbilder wie Theodor Heuss und Thomas Dehler fortführen werde. Er stehe auch ganz persönlich dafür, dass die FDP im liberalen Geist von Freiheit und Verantwortung auch in Zukunft wirken werde. "Das wissen Sie, weil Sie mich seit meiner Studentenzeit kennen", schrieb Westerwelle.

Die bayerische FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Parteiaustritt von Hildegard Hamm-Brücher "zutiefst" bedauert. Dies gelte umso mehr, als der Austritt zu einem Zeitpunkt erfolge, wo die Partei eine Trennungslinie zu dem bisherigen FDP-Vize Jürgen Möllemann gezogen habe, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger am Dienstag. Die FDP werde nicht den Weg des Rechtspopulismus gehen. Hamm-Brücher hatte ihren Austritt vor allem mit den antiisraelischen Äußerungen Möllemanns begründet.

Baum will gegen "Geruch der Spaßpartei" kämpfen

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum hat nicht vor, dem Beispiel der Altliberalen Hildegard Hamm-Brücher zu folgen und aus der FDP auszutreten. Vielmehr will er sich in der Partei für eine Umkehr einsetzen, wie er der Berliner "Tageszeitung" (Mittwochausgabe) sagte. Demnach sagte er: "Dieser Geruch der Spaßpartei muss weg. Ich bin auch nicht sicher, dass das geht, aber ich kämpfe dafür." Hamm-Brüchers Austritt sei besonders bedauerlich, weil der von dem früheren stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen Möllemann vertretene Kurs nun beendet sei. Auch die Strategie 18 - das bei weitem nicht erreichte Ziel der FDP, bei der Bundestagswahl auf 18 Prozent zu kommen - sei nicht mehr glaubwürdig und am Ende, sagte Baum der Zeitung zufolge.

Möllemann bedauert Parteiaustritt

Auch der nordrhein-westfälische FDP-Chef Jürgen Möllemann hat den Parteiaustritt von Hildegard Hamm-Brücher bedauert. Auch ihretwegen sei er 1970 in die Partei eingetreten, sagte Möllemann am Dienstag in Düsseldorf. Hamm-Brücher hatte ihren Austritt vor allem mit den anti-israelischen Äußerungen Möllemanns begründet. Vor einigen Monaten hatte dieser selbst Hamm-Brücher zu diesem Schritt aufgefordert. Diese Aussage revidierte er nun als "unbeherrscht".

(RPO Archiv)
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