Port-Au-Prince Haitis Wiederaufbau wird von oben sabotiert

Port-Au-Prince · Fünf Jahre nach dem verheerenden Erdbeben wächst die Wut der Bevölkerung auf die Politiker.

Und wieder brennen die Autoreifen in Port-au-Prince. Und mit ihnen die Hoffnung, dass das vor fünf Jahren von einem verheerenden Erdbeben heimgesuchte Land vielleicht doch in absehbarer Zeit einen Weg aus der politischen Dauerkrise findet. Die Wut richtet sich vor allem gegen Präsident Michael Martelly. Haiti scheint politisch unregierbar, verlässlich sind nur die gegenseitigen Schuldzuweisungen für die politische Dauerfehde. Haitis Politiker befinden sich in einem permanenten Abnutzungskampf um Macht und Einfluss, unter dem der gesamte Inselstaat leidet.

Als am 10. Januar 2010 die Erde bebte, blickte der Rest der Welt ebenso fassungslos wie entsetzt auf den Teil der Karibikinsel Hispaniola, der als das ärmste Land der Nordhalbkugel gilt. Mehr als 200 000 Tote und viele Millionen Obdachlose produzierte das Erdbeben. Es folgte eine beispiellose Hilfswelle aus der ganzen Welt und mit ihr Milliarden, die in das Land strömten. Fünf Jahre nach der Naturkatastrophe gibt es tatsächlich erste Anzeichen einer Verbesserung. Die Infrastruktur für ausländische Gäste ist besser geworden, ein Großteil der Obdachlosen hat die provisorischen Zeltlager verlassen, die Armutsrate ist leicht rückläufig, und immer mehr Kinder gehen in die Schule. Und es gibt zahlreiche gelungene lokale Erfolge von Hilfsorganisationen, die sich für gezielte Projekte einsetzen. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass angesichts der enormen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, aber auch von Nicht-Regierungsorganisationen die Fortschritte im Land eigentlich deutlicher sichtbar sein müssten.

Erst kürzlich erklärte Ministerpräsident Laurent Lamothe seinen Rücktritt. "Ich gebe mein Amt als Ministerpräsident an diesem Abend mit dem Gefühl auf, meine Pflicht erfüllt zu haben", twitterte der umstrittene Politiker auf dem Höhepunkt der Krise um die immer wieder verschobenen Parlamentswahlen. Erst Anfang Januar einigte sich Martelly mit der Opposition endlich auf den längst überfälligen Urnengang, der jetzt bis Ende des Jahres stattfinden soll.

"Wir haben zu viel Zeit verloren", räumte der Präsident ein. "Aber es ist noch nicht zu spät, wir können unsere Ziele noch erreichen." Doch welche Ziele Haitis Regierung genau verfolgt, ist nicht so leicht zu erkennen. Der ehemalige Musiker Martelly ist kein Visionär, der ein Geschäftsmodell für sein Land entworfen hat. Es fehlt an einer Strategie für den Aufbau eines Tourismus, der Geld und Arbeitsplätze schaffen könnte. Haitis größtes Problem aber bleibt die enorme Korruption und organisierte Kriminalität in den politischen Institutionen, die einen geordneten Wiederaufbau des Landes von innen heraus sabotiert.

Wie dieses Problem zu lösen ist, weiß allerdings auf der von Naturkatastrophen so oft heimgesuchten Insel derzeit niemand. Haitis Volk wird auf absehbare Zeit noch weiter leiden müssen: unter den Folgen des Erdbebens und an der Inkompetenz der eigenen Politiker.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort